Bild: Psychotherapie: Siegmund Freud zeigt Daumen., Das System Therapie Bild: kiki

Psychologie. Lange Wartezeiten und doch genügend Plätze an kassenärztlichen Praxen in NRW. Es scheint große Diskrepanz zwischen der Realität und der sogenannten Bedarfsplanung kassenärztlicher Verbände zu geben.

Laut DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde) sind etwa 27,8 Prozent der erwachsenen Bevölkerung von einer psychischen Erkrankung betroffen. So müsste ungefähr jeder vierte erwachsene Mensch eine Therapie machen, was jedoch für viele nicht möglich ist. Dies hat verschiedene Gründe: Besonders ausschlaggebend scheint zu sein, dass es große Unterschiede in der Anzahl von kassenärztlichen Psychotherapeuten auf dem Land im Vergleich zur Stadt gibt. Laut der kassenärztlichen Übersicht zur fachärztlichen Versorgung in Nordrhein(westfalen) ist die Neueröffnung von Praxen in Planungsbezirken von Städten meistens gesperrt, während in den ländlichen Bereichen oftmals Plätze noch offen sind – Bei einem Versorgungsgrad von über 110% gilt ein Planungsbezirk als überversorgt und Ärzte dürfen keine neue Praxen eröffnen, sondern nur übernehmen. Das heißt, es gibt laut kassenärztlicher Verbände zu viele Praxen in Städten und zu wenige auf dem Land.

Es müsste also zumindest in einer Stadt die Möglichkeit für alle geben, dass diese, wenn sie eine erwachsene Person sind, ohne Weiteres eine Psychotherapie machen könnten und selbst im ländlichen Bereich gibt es offiziell keine Unterversorgung, was Praxen angeht – zumindest im psychotherapeutischen Bereich. Wie kommt es also dazu, dass auch in Städten Patient*innen oftmals monatelange Wartezeiten auf sich nehmen müssen, um einen Therapieplatz zu bekommen (laut der Bundespsychotherapeutenkammer dauerte es 2011 alleine in Bochum bis zu 13 Wochen)?
Laut einer Psychotherapeutin, die im Folgenden anonym bleiben möchte, läge das vor allem daran, dass von den kassenärztlichen Verbänden bei der Bedarfsplanung falsch gerechnet werden würde. Es würde nicht miteinbezogen, dass eine Therapie viel Zeit einfordere und eine Diagnose noch viel mehr Zeit bräuchte. Die aktuelle Rechnung der gesetzlichen Krankenversicherungen liegt bei 60 Minuten pro Patient*in. Davon sind 50 Minuten für die Sitzung eingeplant und 10 Minuten für die Vor- und Nachbereitung. Die Realität für die jeweiligen Therapeut*innen sähe dabei aber anders aus, da diese länger für die Vor- und Nachbereitung ihrer Sitzungen bräuchten. Auch fordern Kassen nach vier Sitzungen eine Diagnose, die meistens aber länger bräuchte, da die Therapeut*innen ihre Patient*innen nach der vierten Sitzung nur viermal jeweils für 50 Minuten gesehen haben. Eine wirkliche Diagnose bräuchte dabei wesentlich mehr Zeit, um die Patient*innen kennenzulernen.
Hinter einer Diagnose verstecken sich heutzutage immer noch Auswirkungen auf den Beruf, wie das Private, vor allem durch gesellschaftliche Vorurteile trauen sich daher oftmals viele Patient*innen nicht eine Therapie zu machen oder sie zahlen eine private Therapie, die mit ca. 90 Euro pro Sitzung aber sehr teuer ist.

Es lassen sich also große Unterschiede zwischen der Anzahl der Menschen, die eine Therapie benötigen, und der Anzahl der freien Therapieplätze aufzeigen. Eine Therapie zu machen, scheint anders zu sein als ein normaler Arztbesuch, wird aber immer noch wie ein solcher von kassenärztlichen Verbänden gerechnet. Dass sich etwas an dem System ändern muss, ist dabei offensichtlich, um eine Gleichstellung psychisch Erkrankter und physisch Erkrankter zu schaffen und eine grundlegend gute Versorgung aller erkrankten Personen zu ermöglichen. Die langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz stellen für viele psychisch Erkrankte eine enorme Herausforderung dar.

:Gerit Höller

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