Bild: Wieder da: Eine neue Generation Studierende erweckt das legendäre Protestplenum wieder zum Leben, Aufruhr, Widerstand – Es gibt kein ruhiges Bildungsland. Bild: alx

Bildungspolitik. Die NRW-Landesregierung will ihr Hochschulgesetz durchdrücken. Gegen die Reformpläne mobilisiert seit Sommer das „Protestplenum“ – in Anlehnung an das Bündnis, das im Mai 2006 auf die Einführung von Studiengebühren mit der Besetzung des heutigen Q-West reagierte.

Nach der Senatssitzung ging alles schnell auf dem Campus der RUB: Am 22. Mai 2006 stand im Audimax die von CDU und FDP geplante Einführung von Studiengebühren auf der Agenda. Auf den Rängen nahmen zahlreiche Studierende Platz. Pfiffe folgten, sobald sich Professor*innen für Studiengebühren aussprachen. Beifall folgte, sobald sich Studierende dagegen aussprachen. Später zeigten sich die Studierenden kompromissbereit. Mit Anträgen brachten sie die Idee ein, eine Kommission zu gründen, die anderswo Einsparmöglichkeiten sucht. Doch die Senator*innen lehnten ab und stellten die Studierendenschaft vor vollendete Tatsachen: Ab sofort sollten sie für jedes Semester zur Kasse
gebeten werden.
Tatsachen schufen an diesem Frühlingstag nur wenige Minuten darauf auch rund hundert Kommiliton*innen auf dem Campus: Sie besetzten das heutige Q-West-Gebäude, das damals noch leer stand. Vor 2.000 Leuten wurde an diesem hitzigen Maitag die „Freie Universität Bochum“ ausgerufen. Die Idee der Aktivist*innen: Bildung für alle – unabhängig von der Klassenzugehörigkeit. Kulturelle Veranstaltungen und alternative Vorlesungsverzeichnisse wurden auf die Beine gestellt. Eine Kampfansage an die damalige schwarz-gelbe Landesregierung, wie sich Ulrich Schröder, damals an der FUB aktiv und dort insbesondere in die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig, erinnert: „Sowohl auf dem RUB-Campus als auch landesweit wurde die Protestbewegung gegen sozial ungerechte ökonomische Bildungsbarrieren durch die nachfolgende über achtmonatige Besetzung der Rücken gestärkt.“

Protestplenum 2.0 mobilisiert gegen Hochschulgesetz

Letztes Jahr löste eine schwarz-gelbe Koalition die bisherige Landesregierung ab. Und stellte neue Pläne vor: Die parteilose Bildungsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen will mit dem Hochschulgesetz ein Reformpaket schnüren (siehe Glossar), von dem Studierende massive Einschnitte in ihrem Studium befürchten. Als Reaktion darauf haben Aktive im Sommer erneut ein „Protestplenum“ ins Leben gerufen. Das gemeinsame Ziel von hochschulpolitischen Listen, Fachschaftsräten, politischen Gruppen und Vertreter*innen des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA): Vereint die bildungspolitischen Maßnahmen von CDU und FDP abwenden. „Wir haben geschafft, uns wieder zusammenzufinden“, blickt Franziska Pennekamp vom „Protestplenum“ positiv auf das Sommersemester zurück.
Dafür wurden über 600 Unterschriften gesammelt und Kommiliton*innen informiert: „Vorher wussten viele nichts darüber“, so Pennekamp. In der vorlesungsfreien Zeit ist die Initiative ein wenig eingeschlafen: Klausuren und Hausarbeitsfristen standen an. Zum Wintersemester will das „Protestplenum“ wieder mit der Kampagne #notmyhochschulgesetz
weiter mobilisieren.
Die Veteran*innen von einst trauen ihnen jedenfalls viel zu, wenn sie an ihren eigenen Widerstand denken: „Langfristig sahen wir durch die 2011 beschlossene Abschaffung der Gebühren auch unser politisches Kernanliegen verwirklicht“, erzählt Ulrich Schröder, „Ich persönlich hoffe sehr, dass auch die heutige Studierendengeneration die Chance ergreift, ihre Bildungschancen durch ein ‚Protestplenum 2.0‘ zu verteidigen und die Uni aktiv mitzugestalten.“

:Benjamin Trilling

 

Zivilklausel

Ein Zankapfel, der seinesgleichen sucht. Soll an einer zivilen Hochschule für militärische Ziele geforscht werden? Eine – bisher geltende – Zivilklausel verhindert dies. Zwar hat sich das Studierendenparlament für die Erhaltung der Regelung ausgesprochen, jedoch nicht einstimmig. Bisher hat sich die Ruhr-Uni auch in ihrer Verfassung für den Erhalt und die Förderung friedlicher Ziele ausgesprochen.

Studienverlaufsplan

Spätestens in der Einführungswoche erstellen alle Studierenden einen persönlichen Studienverlaufsplan. Oft nimmt man sich vor, in der Regelstudienzeit den Abschluss in der Tasche zu haben. Die Realität sieht allzu oft anders aus. Geht es nach den Plänen der Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos), bekommen Studienverlaufspläne einen vertraglichen Charakter. Halten sich Studis nicht an den ausgearbeiteten Plan, droht die Zwangsexmatrikulierung.

Anwesenheitspflicht

Um Pfeiffer-Poensgens Studienverlaufsplan gerecht zu werden, scheint es unabdingbar, in mindestens einer Vorlesung oder einem Seminar sitzen. Besser wären sicher mehrere zur gleichen Zeit, aber wir sind ja nicht in Hogwarts. Um jedoch zumindest die vorhandenen Seminarräume in die Räume der Wünsche für die Wissenschaftsministerin zu verwandeln, schwebt der Landesregierung die Wiedereinführung der Anwesenheitspflicht vor. Überfüllte Hörsäle wären die Folge.

SHK-Räte

Stellt Euch vor, Ihr seid studentische Hilfskraft, aber Eure Chef*in nutzt Euch völlig aus. Statt Literaturrecherche zu betreiben, sollt Ihr Kaffee kochen, auf das Baby des Professors aufpassen oder das Auto putzen. Zugegeben, so schlimm ist es sicher nirgends an deutschen Unis. Aber trotzdem sollen die SHK-Räte die Belange der Hilfskräfte vertreten und auf Einhaltung Eurer Rechte achten. Vergleichbar sind sie mit einem Betriebs- oder Personalrat, die Vertreter*innen werden einmal im Jahr von den Studis gewählt. Sowohl Landesregierung als auch das Rektorat der RUB wollen dieses wichtige Organ abschaffen.

:juma

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