Am 20. April bekam Bochum ranghohen Besuch aus der politischen Führungsriege: Der ehemalige deutsche Staatspräsident Christian Wulff und das im letzten Jahr abgewählte Staatsoberhaupt von Afghanistan, Hamid Karzai, sprachen vor einem dicht gefüllten Saal in der Alten Lohnhalle in Wattenscheid. Zur Diskussion hatte die Initiative Herausforderung Zukunft geladen, die mehrmals im Jahr prominente Redner nach Bochum einlädt, um mit ihnen über gesellschaftlich relevante Themen zu diskutieren.
Wer jedoch mit der Erwartung kam, kritische Fragen oder Aussagen bezüglich der Politik in Afghanistan zu vernehmen, wurde enttäuscht. Die Veranstaltung uferte in gegenseitigem Lob der ehemaligen Staatspräsidenten und einer Selbstbeweihräucherung ihrer Politik der letzten Jahre aus. Zwei Tage vor dem angesetzten Termin sind 33 Menschen bei einem Anschlag des IS inDschalalabad (Afghanistan) getötet worden. Dass die Taliban wieder versuchen, die Macht in afghanischen Provinzen an sich zu reißen, wurde nicht thematisiert.
Afghanistan:
„Wir haben ein paar Probleme.“
Stattdessen wurden nostalgische Geschichten über vergangene Treffen der Präsidenten ausgetauscht und unter dem Applaus des Publikums beteuert, dass Deutschland der liebste Partner der AfghanInnenen im Westen sei. „Ich weiß, wir haben ein paar Probleme“, brachte Karzai vielversprechend ein, um schließlich doch nur die attraktiven Seiten seines Landes für wirtschaftliche Investoren zu betonen. An Selbstkritik mangelte es sowohl bei Wulff als auch bei Karzai. Wulff war überzeugt, im Afghanistankrieg die „richtigen“ Täter lokalisiert zu haben und verteidigte den militärischen Einsatz. Auf die tausendfachen zivilen Todesopfer ist er nicht eingegangen – nur Karzai hat mit dem Beschuss afghanischer Häuser und Dörfer seinen Bruch mit den USA erklärt.
Zwar wurden Drohnenangriffe auf ZivilistInnen auch von Wulff verurteilt, jedoch wirkte die gesamte Veranstaltung wie eine Bühne, auf der die aktive Rolle Deutschlands in der Welt gemäß dem Diskurs der letzten Monate bestärkt werden sollte. Leider war es nicht vorgesehen, dass ZuschauerInnen Fragen an die ehemaligen Staatspräsidenten stellen dürfen. So war es gar nicht erst möglich, die Diskussion in eine kritische Richtung zu lenken.
:Gastautorin Irene Allerborn
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