Bild: Vielleicht bald in Ihrer Apotheken-Rundschau: Bei Cannabis fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker., Über 100 StrafrechtsprofessorInnen unterzeichnen Resolution an den Deutschen Bundestag Foto: wikimedia commons, United States Fish and Wildlife Service

Unverhältnismäßige, ungleiche Strafverfolgung, beigemischte chemische Substanzen und stark erhöhte THC-Werte, ökonomischer Schaden sowie Beschaffungskriminalität sind Probleme beim unkontrollierten, illegalen Verkauf von Cannabis. Kaum zu leugnen ist hingegen ein medizinischer Nutzen durch den Konsum der Droge. Aus diesen Gründen wird immer wieder der Ruf nach Legalisierung von Marihuana laut. Jüngst fordern sogar liberale StrafrechtsprofessorInnen: Die Politik solle das geltende Drogenstrafrecht auf seine Wirksamkeit überprüfen, den Konsum von Cannabis entkriminalisieren. Eine entsprechende Resolution hat auch der Professor für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, Dr. Thomas Feltes, unterzeichnet.

Initiiert wurde diese Resolution, die bis dato bundesweit über 100 RechtsprofessorInnen unterschrieben haben, vom sogenannten Schildower Kreis, einem Netzwerk von DrogenexpertInnen aus Wissenschaft und Praxis. „Wir wollen auf die schädlichen Folgen der Drogenprohibition aufmerksam machen und legale Alternativen zur repressiven Drogenpolitik aufzeigen“, erklärt der Kreis auf seiner Webseite. Der Zusammenschluss von AkademikerInnen fordert eine „ideologiefreie und wissenschaftliche Überprüfung von Schaden und Nutzen der aktuellen Drogenpolitik“.

Ressourcenverschwendung

Professor Feltes ist eigentlich kein Freund derartiger Resolutionen. Verschiedene Gründe haben ihn dennoch bewogen, zu unterzeichnen: Im juristischen Sinn stört ihn zum Beispiel die Ungleichbehandlung von Cannabis-Delikten in verschiedenen Bundesländern: „Grenzen, bis zu denen Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft eingestellt werden, reichen je nach Land von sechs bis zu 30 Gramm“, erklärt er. So würden zum Teil große polizeiliche und finanzielle Ressourcen auf die Verfolgung geringer Delikte verschwendet. Auch würden KonsumentInnen von Cannabis – manchmal Jugendliche, die sie nur ausprobieren wollen – im Verhältnis zu anderen Drogenabhängigen in einem falschen Verhältnis belangt: „Sie dürfen nicht genauso behandelt werden wie Benutzer synthetischer und härterer Drogen.“

Feltes möchte den Konsum weicher Drogen aber keinesfalls verharmlosen oder gar gutheißen – eine Entkriminalisierung könne jedoch helfen, der Suchtproblematik auf anderen Wegen entgegenzutreten. Dazu müssten die aktuellen Probleme bekannt sein. Und es brauche eine differenzierte Vorgehensweise: „Immer häufiger enthält Marihuana beigemischte chemische Substanzen, zudem steigt der THC-Wert. So wird Cannabis tatsächlich zur Einstiegsdroge. Vermehrt gibt es körperlich abhängige Menschen. Denen muss geholfen werden“, so der Rechtsprofessor. Der stetig steigende THC-Gehalt sei kaum kontrollierbar. Die Folgen: Psychische und physische Abhängigkeit, Kontrollverlust über das eigene Leben und auch Beschaffungskriminalität. „Ich vermute, dass für den Anstieg beim Einbruchdiebstahl auch Drogenabhängige verantwortlich sind, die Geld für ihre Sucht benötigen“, so Feltes. Eine Bestrafung des eigentlichen Drogendelikts sei bei Süchtigen „unwirksam und schädlich“.  

Kalifornisches Modell

Die Niederlande und einige Staaten der USA, z. B. Colorado und Kalifornien, zeigen, wie legaler Cannabis-Konsum und die Abgabe funktionieren könnten. In den Vereinigten Staaten hat der Staat Vertrieb und Kontrolle von Marihuana in der Hand. So fließen aus der kontrollierten Drogenabgabe gemachte Gewinne nicht mehr in die Hände organisierter Kriminalität. Auf diese Weise werde dort zudem der Handel mit unreinem oder hochgezüchtetem Marihuana eingedämmt.

Nicht nur in den USA, auch hierzulande wird der medizinische Nutzen von Cannabis mehr und mehr anerkannt. Bei bestimmtem Bedarf ist medizinisch reines Cannabis in Apotheken erhältlich und darf laut jüngstem Gerichtsbeschluss mit einer Ausnahmeerlaubnis für PatientInnen auch zuhause angebaut werden. Wie eine weitere Lockerung der Drogenpolitik in Deutschland umgesetzt werden könnte, müssten ExpertInnen klären. „Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg – das haben die Coffee-Shops in den Niederlanden gezeigt“, prognostiziert Feltes.

Nicht nur bei der aktuell regierenden Großen Koalition dürfte die Forderung der ProfessorInnen auf wenig Gegenliebe stoßen. Auch in der Gesellschaft stellen bestimmte Drogen und deren Abhängige weiterhin ein Tabu da. Feltes: „Beim gesellschaftlichen Umgang mit Drogen gibt es eine große Barriere, wenn es um sogenannte ‚illegale‘ Drogen geht. Alkohol, Nikotin und Medikamente sind hingegen weitestgehend akzeptiert, obwohl sie einen wesentlich größeren gesellschaftlichen Schaden anrichten als zum Beispiel Cannabis.“

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