Bild: Am Schulgebäude führt zwar ein Weg vorbei, an einer vernünftigen Schulleitung aber nicht: Die Wilbergschule in Bochum-Riemke., Jede achte Schule in NRW hat keineN RektorIn Foto: mar

LehrerInnen gibt es in Nordrhein-Westfalen derzeit genug, aber leiten will die Schulen anscheinend niemand: Nach Auskunft des NRW-Schulministeriums waren im Dezember 715 Schulen ohne Leitung; das macht jede achte Schule im Land kopflos. Die Zahl der unbesetzten StellvertreterInnen-Stellen indes ist noch höher. In Bochum ist das Problem genauso greifbar wie in allen anderen Flächenländern. Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) sagt, die Regierung nehme sich des Problems an. Allerdings zu wenig, kritisieren LehrerInnenverbände.

Von insgesamt rund 5.770 Schulen im Land Nordrhein-Westfalen standen laut Landeschulministerium im Dezember noch 715 ohne Leitung da, das sind über 12 Prozent. Besonders stark betroffen sind Grundschulen, von denen 350 auf eine Rektorin oder einen Rektor warten. Schlimmer noch ist die Situation an den Hauptschulen: Dort ist jede dritte Leitungsstelle unbesetzt. Dies ergab die Antwort des Ministeriums auf eine Kleine Anfrage der FDP im Landtag.

Guter Schnitt dank Schulschließung

Die Statistik für Bochum liegt nur wenig unter dem Landesdurchschnitt. Insgesamt zehn Schulen in der Stadt waren nach Angaben des Ministeriums unbesetzt, jeweils eine Gesamt-, Real- und Hauptschule sowie sieben Grundschulen, was 10 Prozent entspricht. Die Situation scheint sich zum Jahreswechsel gebessert zu haben: Das Schulverwaltungsamt der Stadt Bochum gab der :bsz Auskunft, dass von den Grundschulen in der Stadt nur noch Wilbergschule in Riemke, die Amtmann-Kreyenfeld-Schule in Werne und die Lina-Morgenstern-Schule in Altenbochum unter Rektorenmangel leiden würden.
Wären in Bochum in den letzten Jahren nicht einige Schulen geschlossen oder zusammengelegt worden, wäre das Problem wohl auch hier noch größer. Was die Statistik zudem nicht sagt: Wird ein RektorInnenposten besetzt, dann fehlt die Arbeitskraft woanders, Schulen bleiben dann etwa ohne KonrektorIn bzw. StellvertreterIn. Andersrum bleibt die Arbeit sonst an den KonrektorInnen oder dem Kollegium hängen – oder bleibt liegen. So berichtet eine Bochumer Grundschulkonrektorin, dass es ihr wie vielen anderen KonrektorInnen gehe: Nur durch viel Engagement und noch mehr unbezahlte Mehrarbeit lasse sich der Schulbetrieb ungestört fortführen. Ein Aufwand, den zu leisten nicht alle Lehrerinnen und Lehrer zu leisten bereit oder in der Lage sind. Der Einsatz Mechtild Schmitz-Leibolds, die zwei Grundschulen an entgegengesetzten Enden Bochums leitet, in Leithe und in Werne, ist vorbildlich; dass es überhaupt zu solchen Situationen kommen muss, ist untragbar.

Ein Arschvoll Arbeit für eine Handvoll Geld

EinE GrundschulrektorIn bekommt 500 Euro brutto mehr als seine/ihre „normalen“ KollegInnen. Die Aufgaben wachsen allerdings, nicht zuletzt durch die Umsetzung des Inklusionskonzeptes von behinderten und nichtbehinderten SchülerInnen sowie zusätzlichen Einsparungen von SekräterInnen- und HausmeisterInenstellen.
„Rot-Grün ist die erste Regierung, die hier systematisch darangeht“, sagte Schulministerin Sylvia Löhrmann am 8. Januar in einem WDR2-Interview. „Und ich will auch sagen, was wir tun: Wir haben nämlich die Leitungszeit für die Schulleitungen erhöht, und zwar durchaus in nennenswertem Umfang – in vier Jahren ein Volumen von 870 Stellen. Immerhin sind das rund 45 Millionen Euro.“ Mit der Erhöhung der vergüteten Arbeitszeit für die Leitung und Verwaltung der Schule allein sei es noch nicht getan, kritisiert unter anderem Udo Beckmann vom Verband Bildung und Erziehung. Im Anschluss an das Interview mit der Ministerin forderte er eine angemessenere Bezahlung von SchulleiterInnen – die stünde nämlich in keinem Verhältnis zu den Pflichten und Aufgaben eines Rektors oder einer Rektorin, berichten Betroffene.

Vernachlässigte Auslaufmodelle

Besonders im Stich gelassen fühlen sich die (kommissarischen) LeiterInnen von Schulen, deren Schicksal ohnehin besiegelt ist. Die Helene-Lange-Realschule in Bochum ist eine von drei sogenannten auslaufenden Realschulen. Im Moment werden dort eine 8., 9. und 10. Jahrgangsstufe unterrichtet, ab dem nächsten Schuljahr sind es nur noch fünf Klassen. Konrektor Harald Prochnow, der die Schule zurzeit kommissarisch leitet – natürlich ebenfalls ohne Zusatzvergütung – weiß nicht, wie er den Lehrbetrieb mit fünf Klassen aufrecht erhalten soll. Unterstützung von der Stadt, der Bezirksregierung oder dem Land bekommt er nicht. Die SchulträgerInnen haben keine Pläne für die kommenden zwei Jahre, nicht einmal eine Zusage der dieser Schule zustehenden fünf LehrerInnenstellen für das nächste Schuljahr hat der Konrektor. Ob die SchulleiterInnenstelle überhaupt noch ausgeschrieben wird, ist ebenfalls unklar.
 

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