Bild: Für mehr Sicherheit: Der IT-Branche kommt der NSA-Skandal ganz gelegen Karikatur: ck

Seit einigen Wochen dominiert der Abhörskandal um die National Security Agency (NSA) die Schlagzeilen und sorgt weltweit für Entrüstung und erhitzte Gemüter. Neben prominenten Abhöropfern wie der Bundeskanzlerin, führenden PolitikerInnen und Militärs sowie unzähligen Menschen weltweit hat der Skandal eine längst überfällige Diskussion angestoßen. Es geht um die Zukunft der Datensicherheit und um den Schutz von Persönlichkeitsrechten im digitalen Raum. Für die IT-Branche und Unternehmen, die IT-gestützte Sicherheitslösungen anbieten, ist die öffentliche Diskussion des NSA-Debakels Segen und Fluch zugleich. Zum einen steigert sie den allgemeinen Bedarf nach mehr Sicherheit – zum anderen wirft sie ein finsteres Bild auf die IT-Branche und die Unternehmen, die mit der Datensicherheit und dem Ausspionieren von Staaten und BürgerInnen ihr Geld verdienen.

Im Juli 2013 gab der IT-Verband BITKOM bekannt, dass die Nachfrage nach IT-Sicherheitstechnologien in Deutschland um fünf Prozent gestiegen sei. Vor allem der Umsatz mit Software und Services bei Virenscannern, Firewalls und weiteren Diensten werde bis Ende 2013 voraussichtlich auf 3,3 Milliarden Euro anwachsen. BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf sieht in einer Stellungnahme zudem eine steigende Notwendigkeit, mehr in Datensicherheit zu investieren: „Unabhängig von der Diskussion über staatliche Überwachungsprogramme sollten Unternehmen und Verbraucher ihre IT-Systeme schützen sowie besonders sensible Daten vor dem elektronischen Versand verschlüsseln“. Dass sich diese Empfehlung nicht ohne die Mithilfe von IT-Unternehmen umsetzen lässt, ist kein Geheimnis. In den Vereinigten Staaten dient die Angst vor Cyber-Angriffen bereits seit 9/11 als Konjunkturprogramm. Nicht nur Unternehmen, vor allem Geheimdienste und Regierungsorganisationen pumpen haufenweise Geld in den IT-Markt.

Das Geschäft mit der Angst

In den Vereinigten Staaten lässt sich mit der wachsenden Angst vor Cyber-Angriffen und Spionage richtig viel Geld verdienen. Seit dem 11. September 2001 förderten die USA den Ausbau ihrer Spionage- und Sicherheitssysteme mit mehr als 500 Milliarden US-Dollar. Der laufende Haushaltsetat für IT-Sicherheit  und Spionagesysteme beläuft sich auf 52,7 Milliarden US-Dollar. Die notwendige Software, die das Ausspähen fremder Daten oder die Abwehr von digitalen Angriffen ermöglicht, liefern in der Regel zivile IT-Unternehmen. Fachleute prognostizieren, dass das Geschäft mit der IT-Sicherheit binnen weniger Jahre um ein Vielfaches wachsen werde.

Finanziert werden die Unternehmen, die Schnüffel-Software und technische Abhörlösungen anbieten, durch lukrative Regierungsaufträge oder durch Förderprogramme. Eines dieser Programme wird direkt durch die Central Intelligence Agency (CIA) angeboten. Das Unternehmen In-Q-Tel mit seinem Sitz in Arlington, Virginia finanziert seit 1999 Unternehmen, welche die „Nachrichtentechnik der USA und ihrer Geheimdienste voranbringen“. In den vergangenen 14 Jahren wurden mehr als 90 IT-Unternehmen durch die „Wagniskapital-Abteilung“ In-Q-Tel der CIA gefördert. Bis November 2005 hielt das Unternehmen Anteile am Internetriesen Google und finanzierte auch dessen Google-Earth-Programm.
Ein weiteres Unternehmen, welches von der In-Q-Tel Finanzspritze profitierte, ist die Firma Palantir aus Palo Alto im US-Bundesstaat Kalifornien. Wer sich nun an die Palantíri aus „Der Herr der Ringe“ erinnert fühlt liegt richtig – das Unternehmen wurde nach den „sehenden Steinen“ aus J. R. R. Tolkiens Werk benannt. Neben der CIA gehören heute auch die NSA, das FBI und weitere Regierungsorganisationen zum Kundenkreis – möglich wurde dies durch enge Beziehungen zu Militärs und Geheimdiensten. Nach allgemeinen Schätzungen setzt das Unternehmen 450 Millionen US-Dollar jährlich um – die Hälfte des Umsatzes stammt aus der privaten Wirtschaft. Auch hier möchte man auf die IT-Lösungen zurückgreifen, die sonst nur Geheimdiensten und dem Militär zugänglich sind.

Überwachung und Sicherheit

Wie eng Politik, Nachrichtendienste und Wirtschaft miteinander verbunden sind, zeigt nicht nur die finanzielle Beziehung zwischen der CIA und Google. Auch die Bundesrepublik Deutschland greift bei der Beschaffung von „nachrichtendienstlicher Software“ auf größtenteils inländische Unternehmen zurück. So wurden von 2009 bis 2011 mehr als 120 Millionen Euro in IT-Sicherheitsanwendungen investiert – die Gelder stammten aus dem Konjunkturpaket II der Bundesregierung. Insgesamt belaufen sich die jährlichen Ausgaben des Bundes für Informationstechnologie auf ungefähr 18 Milliarden Euro.

Sichern konnten sich die begehrten Aufträge vor allem Unternehmen, die durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifiziert wurden. Auf der Webseite des BSI finden sich neun zertifizierte Unternehmen, die allesamt ihren Firmensitz in Deutschland haben und sich auch mehrheitlich in deutschem Besitz befinden – eines gehört zur Unternehmensgruppe TÜV Austria.

Nach Angaben der International Data Corporation (IDC) wird die Nachfrage nach IT-Sicherheit und den dazugehörigen Produkten auch in den kommenden Jahren weiter steigen. Aus Sicht des Verbandes BITKOM ist der PRISM/Tempora-Skandal hierbei ein entscheidender Steigerungsfaktor: „Die Berichte über PRISM und Tempora haben das Bewusstsein für IT-Sicherheit deutlich gesteigert“, so BITKOM-Präsident Dieter Kempf. Neben seiner Tätigkeit für den Verband BITKOM ist Kempf auch Geschäftsführer des deutschen Unternehmens „Datev“, welches den Großteil seines Umsatzes mit Leistungen rund um den Komplex Datensicherheit erwirtschaftet. Nach seiner Einschätzung ist das Vertrauen in Datensicherheit durch den NSA-Skandal massiv zurückgegangen – das sei wenig überraschend und gut fürs Geschäft, so Kempf.

IT-Sicherheit an der RUB

Im bundesweit ersten Studiengang für IT-Sicherheit an der Ruhr-Universität Bochum beschäftigt man sich auch mit einem Querschnitt der Fragen und Probleme, die der aktuelle NSA-Skandal aufgeworfen hat. Auf der Fakultätswebseite wird auf eine große Auswahl möglicher Berufsfelder hingewiesen: „Absolventen des ITS-Studiengangs steht eine breite Palette von Betätigungsfeldern offen: Sie können kryptographische Verfahren für elektronische Karten oder den elektronischen Datenaustausch entwerfen und umsetzen (…). Unsere Absolventen sind auch bei Bundesbehörden, etwa dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) oder bei Geheimdiensten heiß begehrt.“
Fraglich, ob sich dieses motivierende Statement der Fakultät für Elektro- und Informationstechnik der RUB auch weiterhin eignet, junge Menschen für ein Studium der IT-Sicherheit in Bochum zu gewinnen.
 

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