Bild: Alles getürkt? Bundestagspräsident Lammert kämpft um seine wissenschaftliche Reputation., Plagiatsvorwürfe gegen Bundestagspräsident Norbert Lammert – RUB prüft Dissertation Foto: Deutscher Bundestag, Lichtblick Achim Melde
(mar) Bundestagspräsident Norbert Lammert ist der nächste Politiker, dessen akademischer Kopf rollen soll, wenn es nach dem Plagiatsjäger unter dem Pseudonym Robert Schmidt gehen soll. Der Honorarprofessor der Ruhr-Uni soll unwissenschaftlich gearbeitet und die zitierte Sekundärliteratur kaum gelesen haben. Der Politiker hat die Universität umgehend um eine Überprüfung seiner Dissertation gebeten.
 
Der älteste Eintrag im Aufdeckungsblog lammertplag.wordpress.org ist datiert auf den 26. Juni 2013. Darin wird bemängelt, dass der derzeitige Dr. rer. soc. Norbert Lammert, seit 2005 Präsident des Deutschen Bundestags, in seiner Dissertation von 1974 falsch zitiert habe: Statt des Autors – Claus Offe – und des Artikels wird als Beleg der Herausgeber – Heinz Grossmann – und der Titel eines Sammelbandes angegeben. Ein grober Schnitzer, unwissenschaftlich und eben faktisch falsch angegeben ist dies zwar, zum Plagiat ist es aber noch ein weiter Weg. Dennoch: Ein Drittel der Dissertation habe Robert Schmidt, wie sich der Plagiatsjäger nennt, untersucht und meint, „jetzt genug problematische Belegstellen gefunden zu haben, die eine umfassende offizielle Untersuchung der Arbeit rechtfertigen.“ Diese offizielle Untersuchung wird derzeit vorgenommen.

Professor ohne Doktor?

Am 29. Juli, einen Monat nach den ersten Blog-Einträgen, jedoch wenige Tage nach ihrer breiten Bekanntwerdung, veranlasste der Beschuldigte eine Prüfung seiner Dissertation an seiner Alma Mater, der Ruhr-Universität. Nicht nur hat der in Bochum geborene Bundestagspräsident an der RUB studiert und promoviert, sondern er ist seit 2008 auch Honorarprofessor an der Uni und hält nach Auskunft der Pressestelle seit dem Wintersemester 2005/06 Lehrveranstaltungen an der Fakultät für Sozialwissenschaft ab. Die fragliche Dissertation (Titel: „Lokale Organisationsstrukturen innerparteilicher Willensbildung. Fallstudie am Beispiel eines CDU-Kreisverbandes im Ruhrgebiet“) hat er 1974 eingereicht; ein Jahr später hat er seinen Doktor erhalten, und im Jahr darauf erschien die Arbeit.
Gegenüber der Zeitung „Die Welt“ sagte Lammert: „Ich habe meine Doktorarbeit nach bestem Wissen und Gewissen angefertigt.“ Und auch die Wissenschaft steht auf seiner Seite: Die Politologen Hans-Otto Mühleisen und Wolfgang Jäger werfen vielmehr dem anonymen Blogbetreiber „unseriöse“ Arbeit vor. Unseriös wirkt zumindest die Tatsache, dass sich der Ankläger im Namen der Wissenschaft hinter einem Pseudonym verbirgt. Die öffentlichen Vorwürfe der Politologen weiß dieser allerdings zu entkräften: „Ich hoffe, dass Prof. Jäger mit mir darin übereinstimmt, dass es nicht zulässig ist, Literaturverweise anderer ungeprüft zu übernehmen (es sei denn, man schreibt ausdrücklich ‚zitiert nach‘ dazu). Anderenfalls hätte er selbst eine sehr fragwürdige Auffassung von wissenschaftlichen Standards.“

Anonyme Vorwürfe schwer erträglich

Durchaus spricht also einiges dafür, dass wissenschaftliche Standards nicht eingehalten wurden. Ob dies allerdings zur Aberkennung des Doktortitels reicht, wird sich erst noch zeigen müssen. Vom „Südkurier“ auf den Zeitpunkt, an dem die Vorwürfe gegen den CDU-Politiker auftauchten, die Wahlkampfzeit, angesprochen, entgegnete dieser im Interview: „Jeder mag sich selbst seinen Reim über den Zeitpunkt machen. Ich finde anonyme Vorwürfe in jeder Hinsicht schwer erträglich und in der Form unwürdig.“ Die vielen Plakate in der Stadt mit Lammerts Konterfei werben jedenfalls mit seinem Namen ohne Titel – was sie allerdings auch schon vor vier Jahren taten.

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