Am Dienstag fand der Prozess gegen die beiden Neonazis Dennis Hülshorst und Daniel Ewers statt. Den beiden wurde vorgeworfen, in der Nacht zum 25. Dezember 2011 mehrere Personen aus dem linken Spektrum angegriffen zu haben. Am S-Bahnhof Langendreer sollen sie einen schwer sehbehinderten Mann und einen seiner Begleiter aus nichtigem Anlass verprügelt und in das Gleisbett getreten haben – kurz bevor die S-Bahn eintraf. Ein dritter wurde verletzt in seiner Blutlache auf dem Bahnsteig liegengelassen. Die Geschädigten konnten unter den Angreifern Dennis Hülshorst eindeutig identifizieren. Auch Daniel Ewers haben die ZeugInnen in der Gruppe ausgemacht. Die Aussagen der ZeugInnen sorgten dafür, dass der vorsitzende Richter Werner Pattard nach eigenen Angaben „keine Zweifel“ an der Tatbeteiligung des mehrfach vorbestraften Langendreer Neonazis hatte. Trotzdem wollte er Evers nicht verurteilen. Grund: Der in ultrarechten Kreisen gerne konsultierte Anwalt André Picker machte geltend, dass die Polizei einen Verfahrensfehler begangen habe, als sie den ZeugInnen das erste Mal Fotos der Verdächtigen vorlegte: Das Bild mit Ewers habe einen anderen Bildhintergrund gehabt als die sonstigen. Außerdem habe die Polizei versäumt, Evers vor dem Fotografieren eine Kette mit einem Thorshammer abzunehmen. Dass ZeugInnen vor Gericht beteuerten, Evers eindeutig erkannt zu haben, und dass das Gericht die Aussagen auch für glaubwürdig hielt, half da wenig. Wegen dieses Polizeifehlers verurteilte das Gericht lediglich den ebenfalls einschlägig vorbestraften Neonazi Hülshorst zu zwei Jahren und drei Monate Haft. Daniel Ewers, der inzwischen in Essen wohnt, ist auf freiem Fuß.
Verstoß gegen Auflagen
Als wäre das nicht genug: Auch André Zimmer ist zurück in Bochum. In dem Brandstiftungsprozess im Mai 2011 war eine der Bedingungen für das milde Urteil die Erklärung, der bisherige Neonazi werde sich aus der rechten Szene zurückziehen. Jetzt haben Antifa-Aktive ihn bereits erneut hinter einem NPD-Infostand am August-Bebel-Platz in Wattenscheid gesichtet. Zimmer war 2009 NPD-Bundestagskandidat und außerdem als lokaler „Jugendbeauftragter“ der Partei aktiv. Nach mehreren Brandanschlägen, die er der Antifa in die Schuhe schieben wollte, sowie einer Reihe von weiteren Delikten hatte ihn das Gericht zu 22 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt und in Therapie nach Sachsen-Anhalt geschickt.
„Keine abstrakte Gefahr“
Kevin Waschkowitz, Pressesprecher der AJB warnt: „Bleibt André Zimmer in Bochum, so wird das erhebliche Folgen für die körperliche Unversehrtheit von linken Aktivisten sowie von Bevölkerungsgruppen haben, die nicht in das Weltbild der Nazis passen. Dies ist keine abstrakte Gefahr, sondern hat sich bereits in der Vergangenheit erwiesen. Insofern ist es skandalös, dass Zimmers Rückkehr ohne eine weitgehende Informierung der Öffentlichkeit durch die Behörden vonstatten gehen konnte.“
Die Gewalt von rechts wurde in Bochum lange bagatellisiert. Vor allem Langendreers Bezirksbürgermeister Norbert Busche geriet 2011 massiv in die Kritik, weil er nach Ansicht von Aktiven im Stadtteil die Neonazis und ihre Opfer gleichsetzte. Nach gewalttätigen Neonazi-Übergriffen auf MigrantInnen und Linke hatte er den Ruhrnachrichten erklärt: „Wir bekämpfen, verabscheuen und dulden keinen Rechts- wie Linksextremismus.“ Nach einem Sturm der Entrüstung ruderte Busche zurück. So unterstützte er eine kraftvolle Antinazi-Demo mit über 1.000 TeilnehmerInnen, auf der er allerdings selbst auch Kritik einstecken musste. Und auch beim Prozess gegen Hülshorst und Ewers wurde er im Publikum gesichtet. Bei der Vernehmung von Daniel Ewers‘ Freundin, die sich angeblich an nichts mehr erinnern kann, rief er „Is‘ doch gelogen!“. Man darf gespannt sein, wie er, wie die Stadt Bochum mit dem neuen alten Problem umgehen wird.
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