Es beginnt mit einem harmlosen Wortgefecht. DemonstrantInnen beschweren sich bei der Polizei lautstark über die rüde Behandlung eines Festgenommenen. Dann kippt die Stimmung: Plötzlich beginnt ein Beamter, mit der Faust auf einen Mann einzuschlagen, von dem augenscheinlich keinerlei Bedrohung ausgeht. Andere Beamte eilen ihrem Kollegen „zur Hilfe“ und assistieren bei der Festnahme des Geschädigten. Ein Mann nähert sich, winkt mit seinem Presseausweis. „Der soll weg hier!“ weist einer der Prügel-Polizisten seinen Kollegen an, der Journalist wird abgedrängt. Nach einer weiteren verbalen Auseinandersetzung eskaliert die Situation erneut. Ein Polizist streckt zwei Frauen mit Faustschlägen nieder, zieht dann seinen Schlagstock und prügelt in die Menge. Seine Kollegen sprühen Tränengas auf die Umstehenden.
Verdrehung von Tatsachen
„Bei der Durchsetzung der ausgesprochenen Platzverweise solidarisierten sich ca. 90 gewaltbereite, zum Teil vermummte Linksautonome aus der Versammlung, mit den Punkern, beleidigten die eingesetzten Beamten auf das Übelste (u.a. mit den Worten ‚Dreckschweine‘ / ‚Bullenschweine‘) und störten die polizeilichen Einsatzmaßnahmen. Mindestens zwei Demonstranten griffen gezielt Polizeibeamte an, die gerade eine Person zur Durchsetzung eines Platzverweises festnahmen. Durch die Einsatzkräfte mussten Schlagstock und Pfefferspray eingesetzt werden“, heißt es bei der Pressestelle der Polizei.
Diese offensichtliche Lüge wurde nun durch das Video widerlegt. Weder sind von Seiten der Attackierten Beleidigungen gegen die BeamtInnen zu hören, noch gab es „gezielte Angriffe“ auf die Einsatzkräfte. Derlei Verdrehungen von Tatsachen sind gängige Praxis in Deutschland. 2010 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht zur Polizeigewalt und Straffreiheit für BeamtInnen in Deutschland. Amnesty kritisierte darin unter anderem die „Schwierigkeiten bei der Identifizierung der Polizeibeamten, Unzureichende Ermittlung“, und den „Mangel an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit“ bei der Polizei. PolizistInnen würden häufig gegen KollegInnen ermitteln, die tatsächliche Verurteilung von straffällig gewordenen BeamtInnen sei verschwindend gering. Es herrsche ein Korpsgeist vor. Dass der aktuelle Vorfall also ernsthafte Konsequenzen für die Täter nach sich zieht, ist unwahrscheinlich.
„Dieses ärgerliche Grundgesetz“
Intern machen viele PolizistInnen keinen Hehl aus ihrer Einstellung. Im Polizei-Forum „Copzone“ etwa heißt es zu einer Demonstration in Frankfurt, bei der es „zu Ausschreitungen kam“: „So langsam müsste sich bei der Polizei doch rumgesprochen haben, dass der Deeskalitonsscheiß bei dem Klientel nicht fruchtet.“ Und auch ein sich „Kaeptn_Chaos“ nennender Beamter ärgert sich: „Versammlungen auflösen ist an eine hohe Schwelle gebunden. Dieses ärgerliche Grundgesetz und das alberne Gericht, das immer dessen Einhaltung überwacht, wollen das so.“
Besonders deutlich wurde die ungerechtfertigte Gewaltbereitschaft von PolizistInnen bei einer Demonstration in Hamburg 2002. Damals stürmten vier Beamte auf einen friedlichen „Demonstranten“ zu. Als sie den Mann mit Schlagstöcken zusammenschlugen, meldete sich der Begleiter des Opfers und wies sich und seinen Kollegen als Zivilpolizisten aus. Daraufhin, und obwohl die Männer das verabredete Codewort riefen, wurde auch er verprügelt. Versuche, die Schläger zu identifizieren, wurden, wie üblich, von Vorgesetzten verhindert, auch im Prozess wurde gelogen und vertuscht.
Wie die Dortmunder Polizei ihren Kopf diesmal aus der Schlinge ziehen will, ist angesichts der eindeutigen Videoaufnahmen nicht abzusehen. An Kreativität allerdings hat es ihr dabei selten gemangelt. Die antifaschistische Szene jedenfalls fordert eine umfassende Aufklärung des Vorfalls. „Wir fordern den Polizeipräsidenten auf, Stellung zu dem Vorfall zu nehmen und darzulegen welche Konsequenzen die dokumentierten Vorgänge für die Schläger_innen in Uniform haben“, so das Dortmunder Antifa-Bündnis.
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