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Der Unmut entzündete sich 2008 vordergründig daran, dass die damalige NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter die Entscheidung ohne Wissen des Landesparlaments traf. Außerdem fühlten sich die BewohnerInnen einer angrenzenden MitarbeiterInnen-Siedlung von der erst kurzfristig angekündigten Auflösung der Mietverträge überrumpelt. Die 68 Wohnungen, von denen laut Justizministerium lediglich 26 tatsächlich Dienstwohnungen seien, sind allerdings inzwischen abgerissen worden.

Vielfältige Kritik an dem Vorhaben

Doch es gibt auch andere Vorbehalte gegen das Vorhaben. So kritisierte vor einigen Jahren der damalige SPD-Fraktionsvize im Rat Bochum Hermann Päuser gegenüber der Waz, die Anstalt passe „nicht ins Umfeld von Stadion, RuhrCongress, Starlight und Renaissance-Hotel“. Angesichts der riesigen Justizvollzugsanstalt eine fragwürdige Argumentation. Auch, dass therapierte Ex-Häftlinge auf freiem Fuß die Gegend unsicher machen könnten, ist aus Sicht von JVA-MitarbeiterInnen weitgehend unbegründet. „Das ist völliger Humbug“, sagt etwa Ulrich Thiele*. Er ist seit vielen Jahren in der Krümmede tätig, mit Sexualstraftätern hatte er lange Zeit zu tun. Doch dass die von Vielen als unangenehm empfundenen künftigen neuen Nachbarn den BürgerInnen-Protest wieder aufflackern lassen werden, glaubt auch Monika Gärtner. Die Grünen-Politikerin sitzt im Gefängnisbeirat der Krümmede, und spricht Offensichtliches aus: „Jeder findet solche Einrichtungen wichtig und gut, aber bitte nicht vor der eigenen Haustür!“. Das sei eine gängige Einstellung. Sie könne zwar verstehen, dass es Sorgen und Ängste gebe. Auch die Grünen stimmten seinerzeit zusammen mit den protestierenden AnwohnerInnen der betroffenen Wohnsiedlung gegen den geplanten Bau. „Letztlich braucht man derartige Einrichtungen nun mal, da sind doch bereits vorhandene Strukturen enorm praktisch“, so Gärtner weiter.

Therapie durch Zusammenlegung erschwert

Den „Synergieeffekt“ nutzen, das war so ein geflügeltes Wort unter den BefürworterInnen des Anbaus. Allerdings ging es hier vor allem um Infrastruktur, nicht um eine Vermengung von Strafvollzugsalltag mit Sozialtherapie. Diese sei keineswegs sinnvoll, wie Experten regelmäßig erklären. Sind Sexualstraftäter unter sich,  sei eine Therapie erfolgsversprechender, da man offener mit den eigenen Taten umgehen könne.
So sieht es auch Ulrich Thiele. Durch die Zusammenlegung etwa von Sexualstraftätern und Häftlingen, die nicht in diese Kategorie fielen, entstünden erhebliche Probleme bei der Aufarbeitung der Taten. „Wir haben 75 bis 80 Prozent Sexualstraftäter in der Einrichtung“. Wenn diese sich unter andere Häftlinge mischen würden, „käme es zur ´Legendenbildung´ im Bezug auf die eigenen Straftaten“, so der erfahrene JVA-Mitarbeiter. Dies passiere aus Selbstschutz, denn Sexualstraftäter hätten im Knast traditionell ein sehr schlechtes Standing unter den Mitgefangenen, oft käme es zu gewalttätigen Übergriffen. „Ein Sexualstraftäter verschweigt seine Tat in der Regel nach außen. Wenn er  sich während der Therapie nun auch noch nach innen nicht aussprechen kann, kann er sich innerlich mit der Tat nicht auseinandersetzen“. Man müsse daher eine bauliche Trennung gewährleisten. Letztendlich sei die Angelegenheit „ein zweischneidiges Schwert“, da eine Zusammenlegung aus organisatorischen Gründen „schon sinnvoll“ sei – das bis dato im JVA-Gebäude weilende sozialtherapeuthische Zentrum würde dann gleich mit in die neue Einrichtung verlegt.
Die Debatte um das geplante Therapiezentrum spielt sich also in einer komplizierten Gemengelage ab. Es ist ein Gemisch aus emotionsgeladenen Ängsten, Halbwissen und ernstzunehmender Kritik. Auch wenn es so aussieht, als wäre alles schon in trockenen Tüchern, gibt es noch einige Hürden zu nehmen auf dem Weg zur Realisierung. So sind zum Beispiel die Gelder noch gar nicht freigegeben worden. Auch der Bochumer Rat wird sich mit der Sache nochmal befassen. Dass die Ratsmitglieder für das Bauvorhaben stimmen, gilt aber als unwahrscheinlich. Schon vor Jahren sprach sich der Rat mehrheitlich gegen den Plan aus. Die öffentliche Debatte zu dem Thema wird voraussichtlich vielen KritikerInnen ein erneutes Forum bieten. Bis zur potentiellen Fertigstellung wird also noch viel Zeit vergehen. Ob die mit dem Abriss der Wohnungssiedlung bereits geschaffenen Fakten eher zur Beruhigung oder zur Befeuerung der Lage beitragen werden, bleibt abzuwarten.

*Name von der Redaktion geändert

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