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„Durch Vernunft, nicht durch Gewalt soll man Menschen zur Wahrheit führen!“ 200 großflächige Plakate mit Mottos wie diesem Zitat des französischen Philosophen Diderot hat die Dortmunder Polizei in der Innenstadt aufgehängt. Das Ziel ist offensichtlich, damit bestimmte Protestformen zu delegitimieren und Angst vor Strafverfolgung zu verbreiten. In der Sprache der Polizei klingt das dann so: Meinungsäußerung sei erwünscht, „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ dagegen sei nicht zu dulden und führe zu empfindlichen Strafen. Die rechte Kundgebung sei ordnungsgemäß angemeldet und genehmigt. Wer versuche, die Kundgebung zu blockieren, werde mit „Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“,  verbreitet die Dortmunder Polizei in einer Pressemitteilung. Eine Behauptung, mit der sich die HüterInnen des Gesetzes auf rechtlich dünnes Eis begeben: Kritische JuristInnen bestreiten, dass etwa der Straftatbestand der Nötigung alleine aufgrund einer passiven Sitzblockade angenommen werden kann. Entsprechend gibt es diverse Urteile, die solche Blockaden lediglich als Ordnungswidrigkeit bewertet haben, vergleichbar mit Falschparken.
Das sehen auch die OrganisatorInnen des Protests so.  Blockieren heiße keineswegs automatisch, Gewalt auszuüben. Im Gegenteil: Die Bündnisse sind sich einig darin, sich den Nazis mit friedlichen Mitteln entgegenstellen zu wollen. „Wir respektieren die Rolle der Polizistinnen und Polizisten am 03. September“, schreibt etwa das Bündnis „Dortmund Nazifrei“ ausdrücklich in seiner Stellungnahme zur PR-Offensive der Ordnungshüter. Aber: „Sitzblockaden als Mittel des zivilen Ungehorsams zur Verhinderung dieses und zukünftiger Nazi-Aufmärsche finden mehr und mehr Anhänger in breiten Schichten der Bevölkerung.“ Die Plakataktion der Polizei bewege sich am Rande des Neutralitätsgebotes. Selbst die Staatsanwaltschaft habe unmittelbar mit Widerspruch reagiert. Die polizeiliche Stellungnahme gegen Blockaden sorge für die Kriminalisierung von demokratisch legitimem Protest.
In der Tat ist der Aufruf zur Blockade der Nazi-Demo alles andere als der Versuch, eine Gewalteskalation zu provozieren. Inzwischen haben auch der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau und der Landessozialminister Guntram Schneider für eine Blockade der Demo aufgerufen. Das Bündnis „Dortmund Nazifrei“ wird hauptsächlich getragen von Gewerkschaften, SPD und Grünen. Die Kampagne der Polizei scheinen weite Teile der Öffentlichkeit mit Befremden wahrzunehmen. In einer Internetumfrage der nicht unbedingt als staatsfeindlich bekannten Ruhrnachrichten stimmten zwei Drittel der TeilnehmerInnen  gegen die Auflösung von Blockaden durch die Polizei.

Dortmunder Tradition

Besonders unangenehm ist die Polizei-Offensive vor dem Hintergrund, dass die die Polizei ein Bild konstruiert, in dem es so wirkt, als gehe die Gefahr insbesondere von Anti-Nazi-AktivistInnen aus. Tatsächlich hat die Zahl der rechten Übergriffe in Dortmund auf Antifas, linke Jugendliche und sogar Mitglieder der Piratenpartei in den vergangenen Wochen stark zugenommen.  Die Nazis seien offenbar bemüht, in Dortmund ein „Klima der Angst“ zu verbreiten, stellt „Dortmund Nazifrei“ fest.
Eine Vielfalt der Aktions- und Protestformen ist legitim – das ist die gemeinsame Linie der drei großen Bündnisse. So setzt etwa das „alerta!“-Bündnis auf eine dezentrale Strategie statt auf konzentrierte Massenkundgebungen. Wie bei vergangenen erfolgreichen Blockaden im Wendland und beim G8-Gipfel in Heiligendamm wollen sich die Nazi-GegnerInnen NRW-weit in sogenannten „Fingern“ organisieren, welche dann, aus den verschiedenen Richtungen kommend durch eventuelle Polizeisperren durchfließen sollen.  Außerdem wird es ein „Convergence-Center“ geben, ein Zentrum also, welches den Angereisten eine Infrastruktur bietet. Hier ist neben warmem Essen auch für Schlafplätze, SanitäterInnen und psychologische Betreuung gesorgt. Außerdem werden von hier aus die aktuellsten Informationen kommuniziert. Bevor es soweit ist, wird für eine Vorabenddemo in der südlichen Innenstadt mobilisiert. Dort nämlich wollen die Nazis bereits am 2. September eine Kundgebung inklusive Rechtsrock-Konzert abhalten.

Infos zu Treffpunkten und Aktionen:
alerta.noblogs.org
dortmundquer.blogsport.de
dortmundnazifrei.wordpress.com
Gemeinsamer Bochumer Aufruf :
bit.ly/ptuFdC

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