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Sekundarschule – so nennen CDU, SPD und Grüne ihr Schulmodell für die Klassen fünf bis zehn. Gymnasiale Oberstufe? Fehlanzeige. Das Abitur soll weiterhin nur an Gymnasien und an den bestehenden Gesamtschulen erreichbar sein. Sowohl Gymnasien als auch Gesamtschulen können wie bisher ab der fünften Klasse besucht werden. Damit verpufft das Gerede von längerem gemeinsamen Lernen in der Luft: Unter dem Namen Sekundarschule werden lediglich einige Haupt- und Realschulen zusammengelegt. Die soziale Trennung zwischen jenen Kindern, die von Anfang an auf das Abitur vorbereitet werden und jenen, die auf eine Schule gehen, auf der sie maximal die Mittlere Reife erwerben können, wird zementiert. EntwicklungspsychologInnen weisen seit Jahrzehnten darauf hin, dass diese Sortierung nach der vierten Klasse ein reines Glücksspiel ist. Statistiken zeigen außerdem, dass die Auswahl stark mit dem Einkommen und der Bildungsbiographie der Eltern korreliert.
Was Schwarz-Rot-Grün großspurig eine Reform nennen, ist lediglich die geringstmögliche Anpassung an die Macht des Faktischen. Schließlich geben selbst viele UnionspolitikerInnen unumwunden zu: An der Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen führte sowieso kein Weg mehr vorbei. Es reicht ein Blick auf die Anmeldezahlen, zum Beispiel in Bochum: Für das in Kürze beginnende Schuljahr sind hier gerade einmal 77 der insgesamt 2750 zukünftigen FünftklässlerInnen bei einer Hauptschule angemeldet. Drei der sieben Hauptschulen, die Anfang 2010 in Bochum noch existierten, sind inzwischen schon ganz geschlossen worden. Und Bochum ist kein Einzelfall. Duisburg vermeldet dieses Jahr nur noch 96 Hauptschul-Anmeldungen, im vergangenen Jahr waren es noch 263. Und in Hattingen sind die Zahlen sogar erstmals so gering, dass dort keine fünfte Klasse an einer Hauptschule mehr zusammenkommt.

Bitterer Schulfrieden

Wohin die Abstimmung mit den Füßen geht, ist ebenso deutlich: Viele Gesamtschulen der Region haben mehr Anmeldungen als sie erfüllen können. Viele Eltern wünschen sich eine integrierte Schulform, bei der ihre Kinder nicht vorsortiert werden, sondern die ihnen alle Möglichkeiten offen hält. Diese Wünsche werden zugunsten eines angeblichen „Schulfriedens“ ignoriert – der eigentlich ein Euphemismus dafür ist, dass Privilegien für ein sozial bessergestelltes Klientel erhalten bleiben, anstatt das System für alle durchlässiger zu gestalten. Für die CDU war die grundsätzliche möglichst frühe Aufteilung der Bildungswege nicht verhandelbar. Dabei hätte es abseits der CDU durchaus eine parlamentarische Mehrheit für die Gemeinschaftsschule gegeben – wenn SPD und Grüne nur gewollt hätten. Sie wollten nicht, und dadurch droht jetzt noch eine ganz andere Gefahr: Dringend benötigte und von vielen Eltern herbeigesehnte zusätzliche Gesamtschulen könnten zugunsten der neuen Sekundarschulen auf der Strecke bleiben. Damit würde die Sekundarschule sogar zum Hindernis für integrative Schulmodelle, die von der fünften Klasse bis zum Abitur alle unter einem Dach unterrichten – zumal der Kompromiss mit der CDU beinhaltet, dass weitere Reformen für mindestens zwölf Jahre tabu sind.

Bochum: Bestandsschutz für Gymnasien

Auf lokaler Ebene beraten SPD und Grüne darüber, wie sie die neue Leitlinie aus Düsseldorf umsetzen. Entscheiden soll der Rat darüber erst im November. Aber schon jetzt scheint Einigkeit darüber zu herrschen, dass alle zehn Bochumer Gymnasien und die vier Gesamtschulen unverändert bestehen bleiben. Auch drei Realschulen sollen fortgeführt werden, neue Gesamtschulen sind trotz ihrer Beliebtheit nicht geplant. Aus den restlichen vier Realschulen sowie den vier Hauptschulen sollen demnach insgesamt vier Sekundarschulen entstehen, jeweils eine in den Bezirken Nord, Ost, Südwest sowie in Wattenscheid. Ein Sonderfall bleibt die Gemeinschaftsschule Bochum-Mitte, die in wenigen Wochen am Standort der bisherigen Hermann-Gmeiner-Schule als Schulversuch eröffnet: Vom Land bereits wieder abgeschrieben, soll sie weiter bestehen. Sie wird eine Exotin bleiben – zum Leidwesen aller, die auf eine tatsächliche Schulreform hin zu längerem gemeinsamen Lernen und mehr Bildungsgerechtigkeit gehofft haben.

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