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Kulturdezernent Michael Townsend überrascht sich selbst: „Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich noch einmal für Herrn Ackermann in die Bresche springen würde“, und Ruhrbaron Stefan Laurin poltert: „Ein Sieg aller, für die Meinungsfreiheit nur bedeutet, die eigene Meinung verbreiten zu können“. So ein Quatsch. Selbst, wenn ganz Bochum und auch noch Frank-Patrick Steckel mit jeder ultralinken Faser ihrer Selbst gegen einen Auftritt von Ackermann protestieren würden, dann wäre auch das keine Einschränkung seiner Redefreiheit. Der Kerl kann einfach morgen eine Pressekonferenz einberufen, wenn er was zu sagen hat – und es stünde in allen Zeitungen.

Das Gegenteil ist der Fall: Nicht die Meinungsfreiheit von Herrn Ackermann wird in dieser Debatte in Frage gestellt. Vielmehr sagen die empörten AdvokatInnen der Ackermann-PR-Veranstaltung mit ihrer Verurteilung der Kritik implizit: Die Kritik an Ackermann sollte nicht (oder zumindest nicht in dieser Form) geäußert werden. Wenn also irgendwo in dieser Auseinandersetzung die Forderung nach Redeverboten im Raum steht, dann doch hier.

Die Argumentation der selbsternannten WächterInnen der Meinungsfreiheit erinnert fatal an eine Kampagne der Bildzeitung anlässlich der Sarrazin-Debatte: „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“, überschrieb sie eine Reihe von Sarrazins rassistischen Thesen, die sich ohne jede Einschränkung von Meinungsfreiheit millionenfach verkaufen. Und trotzdem diente die Behauptung einer angeblichen Einschränkung von Meinungsfreiheit dazu, die legitime Sarrazin-Kritik ins vermeintlich undemokratische Abseits zu stellen.

Zurück zum aktuellen Fall: Wer nicht will, dass Josef Ackermann und Edmund Stoiber sich im städtischen Theater die Bälle zuwerfen, wer das sogar unerträglich findet und sich dafür stark macht, dass eine solche Veranstaltung kritisiert, boykottiert oder auch ganz abgesagt wird, erteilt kein „Redeverbot“, sondern sagt einfach die eigene Meinung. So funktioniert demokratische Öffentlichkeit. Und in der Auseinandersetzung darüber, ob das Schauspielhaus der richtige Ort für eine PR-Veranstaltung mit Ackermann ist, waren die KritikerInnen noch nicht einmal erfolgreich: Nicht die Stadt als Hausherrin hat abgesagt, sondern Ackermann selbst. Die Vorwürfe von Townsend, Laurin und Co für falsch zu erachten, bedeutet noch lange nicht, dass man zwangsläufig das moralisierende Gerede von Ackermann als „hoch verderblicher Person“ für eine treffende Kapitalismusanalyse hält. Es bedeutet nur: Kritik ist Meinung, keine Einschränkung von Meinungsfreiheit.

Von Hanno Jentzsch und Rolf van Raden

Hintergrund

Für September hatte der Bochumer Eventmanager Sascha Hellen eine Veranstaltung im Schauspielhaus geplant: Im Rahmen der Reihe „Herausforderung Zukunft“ sollte Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, sprechen. Für die Einführung war Edmund Stoiber geladen, WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz sollte moderieren. Eine Gegenposition auf dem Podium war nicht vorgesehen. Gegen den geplanten Auftritt des Bankers gab es einigen Protest, unter anderem vom ehemaligen Schauspielhausintendant Frank-Patrick Steckel. Das freie Theater an der Rottstraße 5 kündigte eine Gegenveranstaltung an; Protest wurde ebenfalls aus den Reihen des Schauspielhaus-Ensembles und von weiteren Kulturschaffenden geplant. Daraufhin sagte Ackermann seinen Auftritt ab.

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