„Ja, die Lesben in unserer Mannschaft waren wirklich ein großes Problem. Aber seitdem ich Trainerin der Falcons bin, hat sich das erledigt. Es gibt keine lesbische Spielerin mehr in meinem Team. Ich kann diese dreckige Lebensweise nicht tolerieren.“ Seit Eucharia Uche 2009 die erste weibliche Trainerin der „Super Falcons“ wurde, rumort es gewaltig unter der Oberfläche des internationalen Frauefußballs. Uche, Torschützin in der ersten internationalen Partie der nigerianischen Frauenfußball-Abteilung, prahlte im Vorfeld der WM mit ihren Maßnahmen bei einem öffentlichen Fußball-Seminar. Nicht nur, dass sie die „schmutzigen Praktiken“ bei Strafe des Ausschlusses verbot, auch wurden Lesben für das schlechte Abschneiden des Teams bei der WM 2007 und dem Africa Cup 2008 vom nigerianischen Fußballverband verantwortlich gemacht, wie ein ehemaliger technischer Mitarbeiter bestätigte. Lesben als Maulwürfe im nigerianischen Fußball?
Postcolonial View
In der Bild-Zeitung kam das Thema eher als Aufgeiler daher, als es dort etwa hieß: „Sexorzismus bei Nigeria!“ Aber bei einer Zeitung, die sonst immer bereit ist, den Heterosexismus ihres Klientels zu bedienen oder zu deckeln, sollte es nicht verwundern, dass Homophobie nur dann zum Skandal wird, wenn man die Rückschrittlichkeit Afrikas behaupten und sich darüber versichern kann, wie schwer in Ordnung die Deutschen doch selbst sind. Andere Zeitungen wie die New York Times waren um das Thema bemühter und förderten so den Zusammenhang zwischen christlichem Fundamentalismus, autoritärem Führungsstil, kollektivem Zwang und der Ausgrenzung von Lesben im System Uche zutage.
In einem Staat, in dem auf Homosexualität theoretisch die Todesstrafe steht, dürfte es für so manche Athletin verlockend sein, die Freizügigkeiten auf Auslandsreisen zu nutzen. Und so konnte man bei der U20-Frauenfußball-WM 2010 in Deutschland durchaus auch Nigerianerinnen beim Turteln in der Öffentlichkeit beobachten. Doch als zur diesjährigen „großen“ WM etwa die Hälfte der Spielerinnen in den Nationalkader rutschte, war es für sie vorbei mit dem Traum, zu lieben wen sie wollen.
Gruppenbeten
Stattdessen fiel bei dieser WM besonders ins Auge, dass das Team während des Spiels immer wieder zum gemeinsamen Beten zusammenfand. Die christliche Ausrichtung der Trainingsmethoden steht im Kontrast zu dem über 50 Prozent großen Bevölkerungsanteil, der als Muslime im armen Norden lebt, welcher mit dem viel weiter entwickelten christlichen Süden immer wieder in ethnisierten Konflikten steht. So hat der große Raum, den die Religion im Nationalteam einnimmt, offenbar die Doppelfunktion der sexuellen als auch der ethnischen Ausgrenzung.
Trotzdem raus
Genutzt haben die Maßnahmen dem nigerianischen Team wenig. Nach einer schmucklosen Vorrunde, in der sie nur den Kanadierinnen mit einem Treffer des afrikanischen Frauenfußball-Stars Perpetua Nkwocha drei Punkte abtrotzen konnten, verabschiedete sich Nigeria auch wieder aus dem Turnier. Die Töne, die von dem westafrikanischen Land bei dieser Frauenfußball-WM ausgingen, waren eher abseits des Platzes zu hören. Sie sorgten immerhin dafür, dass diese WM früh nicht bloß „genau so gut wie die Männer-WM“ wurde, wie man es sich in Deutschland herbeigeschrieben hatte, sondern dass auch die Lesbenfrage gestellt wurde. Frauenfußball ist politisch.
Am Ende der Niederlage gegen die deutsche Elf gab es für Eucharia Uche lediglich einen sportlichen Händedruck der deutschen Trainerin Silvia Neid. Nun wird das Thema Homosexualität im deutschen Frauenfußball zwar in ganz anderen Dimensionen diskutiert als etwa im internationalen Männerfußball. Doch trotz der relativen Offenheit einiger Spielerinnen zu ihrem Liebesleben wirkte bei dieser WM weder das Verhalten der Fifa, noch des deutsches Sportverbandes besonders aufgeschlossen. Anstatt sich mit den betroffenen Nigerianerinnen und allen Anderen, die von homophober Ausgrenzung weltweit bedroht sind, zu solidarisieren, reagierten die Verantwortlichen verspätet und baten Uche, sich in Zukunft bitte „neutraler“ auszudrücken.
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