Bundeskanzlerin Merkel begrüßte die Freilassung des Künstlers Ai Weiwei und des Bürgerrechtlers Hu Jia kurz vor dem Staatsbesuch. Sie äußerte die Hoffnung auf ein transparentes Rechtsverfahren für Ai. Dem chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao fiel derweil seine Übersetzungshilfe aus dem Ohr. „Ist okay?“, fragte Merkel kurz bevor sie noch kurz den Wunsch äußerte, JournalistInnen möge zukünftig eine faire und umfassende Berichterstattung in China ermöglicht werden. Erst vergangenes Wochenende wurde die Inhaftierung des tibetischen Schriftstellers und Menschenrechtlers Tashi Rabten am 2. Juni bekannt. Über die Gründe der Verhaftung ist bisher nichts bekannt. Er ist Herausgeber eines verbotenen, chinakritischen Magazins.
Wen lächelte mild und konterte mit Lob über die deutsche Disziplin, die Hingabe zu harter Arbeit, die Sachlichkeit und Gründlichkeit der Deutschen. Besondere Freude herrscht auf beiden Seiten über die 22 Kooperationsverträge im Wert von insgesamt 10,6 Milliarden Euro, die während des Besuchs des Ministerpräsidenten und 13 weiterer chinesischer MinisterInnen geschlossen wurden. Neben Wirtschaftsverträgen unterzeichnete Bundesbildungsministerin Anette Schavan mit dem chinesischen Bildungsminister Yuan Gueren ein Abkommen über die Zusammenarbeit in der Hochschulbildung.
Strategische Partnerschaft
Nächstes Jahr feiern die Bundes- und die Volksrepublik das 40-jährige Bestehen der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und China. Voraussetzung für die diplomatische Beziehung ist die Anerkennung der Ein-China-Politik: „Die deutsche Seite bekräftigt ihr Festhalten an ihrer Ein-China-Politik und ihre Achtung der territorialen Integrität Chinas; dies würdigt die chinesische Seite“, so heißt es im deutsch-chinesischen Kommuniqué zur Förderung der Strategischen Partnerschaft von 2010. Es gibt demnach nur ein China, das auch die Republik China Taiwan einschließt. Die Bundesrepublik akzeptiert zwar die Demokratie in Taiwan, erkennt die Republik aber diplomatisch nicht an. Die diplomatische Anerkennung Taiwans würde zum Ende der Partnerschaft zwischen Deutschland und China führen.
Die Beziehung zwischen Deutschland und China ist vor allem eine wirtschaftliche. Seit 1972 ist das Exportvolumen deutscher Waren von 0,27 Milliarden Euro auf 53, 6 Milliarden angewachsen. Bis 2015 soll das gemeinsame Handelsvolumen auf 200 Milliarden Euro steigen. Zur Gedenkfeier der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas vor 90 Jahren sagte Premierminister Hu Jintao: „Die Partei wird auf Grundlage der Prinzipien Selbständigkeit, Gleichberechtigung, gegenseitiger Nutzen und Nicht-Einmischung in innere Angelegenheiten weiter den Austausch und die Zusammenarbeit mit Parteien aller Länder und Regionen der Welt fördern.“ China ist und bleibt ein wichtiger Absatzmarkt deutscher Waren, weshalb sich auch der Rechtsstaatsdialog, der seit 1999 zwischen Deutschland und China besteht, hauptsächlich mit Fragen des Wirtschaftsrechts beschäftigt. Wie wenig sich in den Bereichen Individualrecht und Verfahrensrecht getan hat, zeigt nicht nur der Fall Ai Weiwei beispielhaft.
Menschenrechte
2004 verankerte die chinesische Regierung den Respekt und Schutz der Menschenrechte in der Verfassung. Im April 2009 veröffentlichte die chinesische Regierung den „Nationalen Aktionsplan Menschenrechte“ (NHRAP). Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Menschenrechte in verschiedenen Bereichen wie Politik, Wirtschaft, Kultur und sozialem Wohnungsbau wurden angewendet, heißt es im September 2010 veröffentlichten neunten Weißbuch. Das Weißbuch ist der von der chinesischen Regierung veröffentlichte Bericht über die Menschenrechtspolitik in China. Menschenrechtsorganisationen sehen hingegen keine wirklichen Fortschritte. In den vergangenen Jahren ist es verstärkt zu massiven Einschränkungen der Meinungsäußerungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit gekommen. In der Rede zum 90. Gründungstag der KPCh schloss Staatschef Hu Jinato die Gründung weiterer Parteien kategorisch aus.
Neben den Inhaftierungen von prominenten Dissidenten wie dem Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo ist es zu verschärften Kontrollen im Internet und von Nichtregierungsorganisationen gekommen. Unter Menschenrechten versteht die Kommunistische Partei den materiellen Wohlstand der Bevölkerung durch die Entwicklung des Staates zu erhöhen und zu stabilisieren. Die chinesische Abwehr gegen Fragen der Menschenrechte liegt auch in der Befürchtung, der Westen wolle Asien seine Werte aufdrücken und somit hegemoniale Ansprüche verfestigen. Die Bundesregierung beteuert immer wieder, Verhandlungen auf Augenhöhe zu führen sowie Unterschiede zu akzeptieren und zu respektieren: „Wir sind ja nicht Lehrmeister, sondern wir sind strategische Partner“, so Außenminister Westerwelle. Und damit kommt er der Wahrheit sehr nahe.
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