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Auf der medizinischen Seite hat sich viel getan: Abgestimmte Medikamentencocktails können das Leben von Infizierten drastisch verlängern und den Ausbruch von AIDS verlangsamen oder gar verhindern. Trotzdem ist die Krankheit nach wie vor unheilbar. Betrachte man die Forschungserfolge der Vergangenheit, sei ein optimistischer Blick in die Zukunft jedoch durchaus gerechtfertigt, meint der Bochumer Medizinprofessor und HIV-Experte Norbert Brockmeyer. Er leitet den HIV/AIDS-Forschungsschwerpunkt am Klinikum der RUB und ist Mitglied des Nationalen AIDS-Beirats. In 20 Jahren könne vielleicht das „Traumziel“ erreicht sein, einen Impfstoff für Nicht-Infizierte und die Heilung für Infizierte zu erreichen, hofft der Experte.

Behandlung nur für Privilegierte

Keinesfalls als Erfolgsgeschichte kann man allerdings die Verfügbarkeit der Medikamente für Menschen ansehen, die außerhalb der Industriestaaten leben. „Diese Segnungen der Medizin erhalten nur circa ein Drittel aller Patienten auf der Welt, die eine Therapie dringend benötigen“, so Brockmeyer. Unter anderem sorgen Patentrechte dafür, dass lebensnotwendige Medikamente vor allem in afrikanischen Ländern für Viele unerschwinglich bleiben. Mangelnde Aufklärung und sogar die teilweise Leugnung der Krankheit tragen ihr Übriges zur schlechten medizinischen Versorgung bei.

Zu dieser Situation hat auch die katholische Kirche massiv beigetragen. Im Mai ließ der Vatikan in einem Artikel der Vatikanzeitung L‘Osservatore Romano verlauten, dass Kondome mitverantwortlich an der Verbreitung von AIDS seien, da der Gebrauch von Kondomen ein Gefühl von Sicherheit vermittle. Eine verbreitete Position in der katholischen Kirche, trotz minimalen Anpassungen der Glaubenssätze: Im November erklärte Papst Benedikt, in „begründeten Einzelfällen“ könne die Verwendung von Kondomen „ein erster Schritt“ sein – zum Beispiel für männliche Prostituierte. Grundsätzlich gilt für den Klerus die Doktrin aber weiter, Kondome trügen zu einer Banalisierung der Sexualität bei und seien keine moralische Lösung.

Gegen Diskriminierung, für Aufklärung

Immerhin berichtet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), dass die überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung sich gegen eine Diskriminierung von Betroffenen ausspricht, wenn man sie direkt danach fragt. Die Studie „AIDS im öffentlichen Bewusstsein der Bundesrepublik Deutschland 2010“ gibt an, dass 96 Prozent der Bevölkerung es ablehnen, Menschen mit HIV und AIDS auszugrenzen.

In Bochum gibt es inzwischen seit einem Vierteljahrhundert eine Initiative, die sich mit dem Thema aktiv auseinandersetzt. Im September feiert die AIDS-Hilfe Bochum ihr 25-jähriges Jubiläum im Bahnhof Langedreer. Geschäftsführer Arne Kayser wertet es als Erfolg, dass die Aufklärungskampagnen zum Beispiel in Schulen durchaus ankommen. Trotzdem fühlten sich viele junge Menschen nicht direkt betroffen. „Es gibt eine Normalisierung und Verharmlosung der Lage, die mit den medizinischen Fortschritten zusammenhängt. Dabei sind die Infizierungen bei jungen Menschen in Relation zum Bevölkerungsanteil am häufigsten.“ Über Erfolge in Forschung und Gesellschaft zu berichten, sei natürlich richtig – gleichzeitig müssten aber auch die Bemühungen um Aufklärung und Prävention intensiviert werden. „Auch wenn die medizinischen Fortschritte immens sind, ist die Erkrankung weiterhin ein Stigma für die Betroffenen, das hört nicht auf.“ Diskriminierung im Berufs- und Alltagsleben sind nicht die einzigen Probleme, mit denen die Betroffenen zu kämpfen haben. Es komme in Einzelfällen sogar vor, dass selbst MedizinerInnen eigene Vorurteile und Ängste verhängnisvoll pflegen. So wurde im vergangenen Jahr zum Beispiel ein Fall in Essen bekannt, bei dem ein Zahnarzt sich weigerte, einen HIV-positiven Patienten zu behandeln.

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