„Wir würden uns sehr freuen, wenn so viele Menschen wie möglich daran teilnehmen“, sagt Hakim Masud*. Er arbeitet als Wissenschaftler im Ruhrgebiet, und die Lage in seiner Heimat bewegt ihn sehr. Bundesweit sind inzwischen Exil-SyerierInnen aktiv geworden. Sie organisieren sich unter anderem in der neu gegründeten „Vereinigung zur Unterstützung der syrischen Revolution (Deutschland)“. Einige von Ihnen haben selbst hier in Deutschland Angst vor dem langen Arm des syrischen Geheimdienstes. Sie befürchten Repressionen gegen sich selbst sowie Verwandte in Syrien. Daher arbeitet die Gruppe zwar öffentlich, aber häufig ohne die Nennung von Namen. In bisher acht deutschen Großstädten gibt es AnsprechpartnerInnen, die über Handynummern zu erreichen sind. Für die Organisation von Protesten nutzen sie die Sozialen Netzwerke im Internet. Am kommenden Samstag unterstützen die AktivistInnen in Deutschland einen weltweiten Aktionstag, den „Global Syria Day“. Der wurde natürlich ebenfalls im Internet ausgerufen.
Protest an der RUB
Auch an der Ruhr-Universität regt sich Protest gegen die Gewalt des syrischen Regimes. Syrische Studierende haben sich zusammengeschlossen, um für Solidarität mit der demokratischen Protestbewegung in ihrem Heimatland zu werben. Mit Unterstützung des AStA organisieren sie für Mittwoch, den 15. Juni einen Vortrag, anschließend soll über die Lage in Syrien diskutiert werden. Für die Veranstaltung mit dem Titel „Der arabische Frühling am Beispiel der syrischen Revolution“ konnten sie den Sozialwissenschaftler Khaled Al-Massalmeh gewinnen, der sich vor allem einen Namen mit Arbeiten zum Nationalismus im arabischen Raum gemacht hat.
Mindestens 1.300 Tote
Gründe für all diese Aktionen gibt es leider genug. Seit Beginn der Revolten in Syrien sind offiziellen Angaben zufolge etwa 1.300 Demonstrant_innen gestorben. Wahrscheinlich waren es in Wirklichkeit deutlich mehr. Über 4.000 Menschen wurden verletzt und mehr als 11.000 SyrierInnen sind inhaftiert worden. Unter dem Druck der Proteste hat Assad nun immerhin eine Generalamnestie für politische Gefangene angekündigt, die vor dem 31. Mai inhaftiert worden sind. Gleichzeitig geht das Regime weiter mit unverminderter Härte gegen die Proteste vor.
Die Macht der Bilder
In vielen syrischen Städten gibt es seit Wochen keinen Strom mehr. Manchmal wird er jedoch angeschaltet, damit das Staatsfernsehen Bilder von friedlichen Straßen einerseits und gewaltbereiten Demonstrant_innen andererseits zeigen kann. Scharfschützen schießen von den Dächern der Häuser – auf Menschengruppen, auf Autos, auf Krankenwagen und Schulbusse. Bei einem Angriff auf einen Schulbus sind vergangene Woche mehrere Kinder gestorben bzw. schwer verletzt worden.
Außerdem versucht das Regime weiterhin, durch demonstrative Härte die Bevölkerung einzuschüchtern. Ende April wurde ein 13 Jahre alter Junge eingesperrt, Ende Mai wurde die Leiche seinen Eltern übergeben. Neben Folterspuren war sein Genick gebrochen und es fehlten ihm mehrere Organe. „Die Menschen werden immer wütender“, sagt Hakim Masud. „Sie sehen keinen Weg mehr zurück. Sie wissen: Wenn sie scheitern, werden sie sterben.“
„Die Menschen brauchen jetzt Unterstützung, die ihnen Mut macht“, meint auch Nazem Ali*, ein syrischer Student an der Ruhr-Uni Bochum. Über die Reaktionen der Weltgemeinschaft ist er enttäuscht. Eine UN-Resolution ist gegen die erwartbaren Vetos von Russland und China unwahrscheinlich. Bisher sind noch nicht einmal Wirtschaftssanktionen gegen das Assad-Regime in Kraft, mehr als Lippenbekenntnisse gibt es derzeit nicht.
„Wir fordern von der Staatengemeinschaft, Assads Regime zu ächten und alle Beziehungen zu ihm abzubrechen. Alle Staaten sollen die syrischen Botschafter aus ihren Ländern verweisen und wirtschaftliche Sanktionen sowie ein striktes Waffenembargo verhängen. Außerdem wollen wir, dass Assad vor dem Internationalen Strafgerichtshof angeklagt wird“, erklärt Hakim Masud. Derweil sind fast alle größeren Städte vom Militär besetzt; trotzdem wachsen die Demonstrationen weiter. Vergangene Woche wurde in über 150 syrischen Städten für Freiheit, Gewaltenteilung und Frieden demonstriert. „Die Menschen protestieren trotz des Risikos, getötet zu werden. Besser etwas machen, als weiterhin in Angst zu leben“, fasst Nazem Ali die Stimmung unter vielen Aufständischen zusammen.
Mit Assad könnte auch der Iran fallen
Auch die westlichen Regierungen müssten eigentlich ein großes Interesse daran haben, dass Assad stürzt. Denn obwohl der Islamismus für die Ideologie des syrischen Regimes keine zentrale Rolle spielt, ist Assad aus machtpolitischen Gründen einer der wichtigsten Verbündeten des iranischen Regimes sowie der Hisbollah und der Hamas. „Wenn Assad wirklich stürzt, kann das auch deutliche Auswirkungen für den Islamismus in der Region haben“, meint Hakim Masud. „Wenn dadurch etwa die Demonstrationen im Iran wieder angefacht werden könnten und vielleicht sogar das Mullah-Regime fallen würde, wäre das Modell des Gottesstaates wohl endlich am Ende“, fasst er seine Hoffnung auf eine Demokratisierung der gesamten Region zusammen.
* Name von der Redaktion geändert
Syrische Termine
Samstag, 11. Juni, 14 Uhr:
Demonstration anlässlich des „Global Syria Day“ in Köln. Treffpunkt Bahnhofsvorplatz.
Mittwoch, 15. Juni, 18 Uhr:
Vortrag und Diskussion: „Der arabische Frühling am Beispiel der syrischen Revolution“ Ruhr-Uni Bochum, HZO 70.
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