Unweit des bekannten Dortmunder Kunst- und Kulturzentrums „U-Turm“ steht ein Haus, dessen Strahlkraft eher unangenehmen Charakter hat. Es ist nicht die gehobene Gesellschaft, die, wie beim Dortmunder Wahrzeichen, von weit her an die Rheinische Straße gelockt wird. Es ist eher eine Gesellschaft, die aus der tiefen Senke der Geschichte hervorkriecht. Seit Mitte 2009 können sich Neonazis in Dortmund treffen, ohne dass ihnen ein Riegel vorgeschoben würde. Das als „Nationales Zentrum“ bekannt gewordene Ladenlokal in der Hausnummer 135 hat einen bis April 2015 laufenden gültigen Mietvertrag. Seitdem pilgern Neonazis aus der Umgebung jeden Mittwoch zum „Kameradschaftsabend“, finden klandestine Treffen statt, wird Material gelagert, Bier ausgeschenkt und zum Beispiel dem Vortrag des Holocaustleugners Dirk Zimmermann gelauscht. Den Plänen der Neonazis, die komplette Immobilie zu erwerben, kam die Stadt zuvor und kaufte das Haus. Damit, den Mietvertrag zu kündigen, tut sich die Stadt jedoch schwer.
Hooligans und Führergeburtstag
Drei Tage bevor sich die in den 80er Jahren von Siegfried Borchardt alias „SS Siggi“ gegründete „Borussenfront“ nun in den von den Neonazis als „Lager“ bezeichneten Räumlichkeiten treffen wollte, machten Antifaschist_innen die Pläne öffentlich. Besonders pikant: Dieses Jahr fiel Karfreitag auf den 22. April – zwei Tage nach dem Geburtstag Adolf Hitlers, alljährlicher Anlass für lokale Zusammenkünfte von Neonazis. Auf das Konto der Borussenfront gehen brutale Überfälle auf Migrant_innen und Linke sowie Gewalt im Fußballumfeld. Die anfängliche Empörung über die Feier wich aber schnell Ernüchterung: Stadtsprecher Michael Meinders beschwichtigte, man habe „keine Erkenntnisse darüber, ob und gegebenenfalls wo eine solche Veranstaltung geplant ist“. Man werde den Nazitreff aber „beobachten“ und „wenn es dazu Anlass gibt, einschreiten“. Anders ausgedrückt: Die Stadt sieht keine Grundlage, auf der sie die Feier schon im vorhinein verhindern könnte. Die Haltung der Stadt, die sich über ihre Vorhaben mit dem Haus schon immer sehr bedeckt hielt, sorgt bei Nazi-Gegner_innen für Aufregung. Die bsz sprach deshalb mit Kerstin Wiedemann, einer Sprecherin der Antifaschistischen Union Dortmund.
Frau Wiedemann, die Stadt mauert, wenn es um Informationen zum Umgang mit ihrer Immobilie an der Rheinischen Straße 135 geht. Kann sie ihr Versprechen, den Nazi-Treffpunkt zu schließen, nicht erfüllen?
Die Stadt weiß offenbar nicht, wie sie mit dem Problem umgehen soll. Als im Januar diesen Jahres bekannt wurde, dass die Stadt das Haus gekauft hat, gab sie an zu prüfen, ob sich Gründe für eine außerordentliche Kündigung finden lassen. Danach wurde es um das groß angekündigte Vorhaben still.
Gäbe es nicht die Möglichkeit, den Neonazis einen Bruch der Nutzungsbestimmungen nachzuweisen?
Zum einen stellt sich die Frage, ob der Mietvertrag es überhaupt zulässt, dass im „Nationalen Zentrum“ regelmäßig Neonazi-Treffen stattfinden können. Nach unserem Kenntnisstand wurde das Ladenlokal samt Anbau lediglich für Wohnzwecke vermietet. Zum anderen ist unserer Meinung nach die Gefahr, die von den ansässigen Neonazis für Migrantinnen und Migranten und Linke ausgeht, schon eine Tatsache, die eine Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen würde. Vergleichbar wäre dieser Sachverhalt vielleicht mit der Nazi-Kneipe „Schützeneck“ in der Dortmunder Nordstadt, die im Jahr 2000 vom Ordnungsamt geschlossen wurde, da dem Pächter aufgrund seiner Toleranz gegenüber Neonazis eine „gewerbliche Unzuverlässigkeit“ angelastet werden konnte.
Warum tun sich Stadt und Polizei noch immer so schwer mit dem Naziproblem? Es wird ja nicht erst seit dem “Nationalen Zentrum” über das Thema geredet.
Offenbar will man immer noch nicht wahrhaben, dass Dortmund ein massives Naziproblem hat. Der Stadt, welche sich gerne als weltoffene und moderne Metropole präsentieren möchte, passt die hohe Präsenz von Neonazis natürlich nicht ins Konzept. Trotzdem ist es ein wichtiger Schritt gewesen, das Haus aufzukaufen, und es war das erste Mal, dass der Aktionismus der Stadt kein rein symbolischer war.
Wie sieht ein konsequentes Vorgehen gegen die Neonazis Ihrer Meinung nach also in Zukunft aus?
Dass man sich bei dem Naziproblem nicht auf das Einschreiten der Stadt verlassen kann, hat sie nun oft genug unter Beweis gestellt. So liegt es auch weiterhin an antifaschistischen Gruppen und Personen, es den Nazis durch offensives Auftreten in Dortmund so schwer wie möglich zu machen.
Nazis weichen aus
Immerhin: Aufgrund der aktuellen Diskussion fühlen sich die Neonazis nicht mehr so sicher in ihrem Laden. Besucher_innen, die am Karfreitag am Nazitreff auftauchten, wurden zu einem neuen Veranstaltungsort, vermutlich im Industriegebiet hinter Dorstfeld, geschleust. Dort konnte die Feier dann störungsfrei ablaufen. Denn auch das ist typisch für Dortmund: Misslingt den Nazis einmal der Tanz mit der Öffentlichkeit, fanden sich bisher noch immer auf privater Seite VermieterInnen, die bereit waren, das rechte Auge ganz fest zuzudrücken.
(AutorIn der Redaktion bekannt)
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