Wie ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes erklärte, richte sich die Ausstellung im Grunde an alle Bürgerinnen und Bürger, insbesondere aber an Schülerinnen und Schüler der achten bis zehnten Jahrgangsstufe an Schulen. Auf circa 200 Quadratmetern präsentiert das BfV ein Potpourri des „deutschen Terrors“. Die Ausstellung beginnt im „Portal der Freiheit“ – dort wird das freiheitlich demokratische Leben in der Republik dargestellt. Die Grundordnung gewährleiste ein friedliches Zusammenleben von Punks, Ausländerinnen und Ausländern, Alten und Jungen, so die Ausstellungswände. Auf Bildschirmen sieht man die Nachrichten von ARD und ZDF sowie bunte, fröhliche Bilder. Frieden und Freiheit, die sogleich bedroht ist – wie man lernt –, sobald die „Schwelle zum Extremismus“ überschritten wird. Die Schwelle, dargestellt durch eine kleine Brücke, über der rechts und links rote Alarmleuchten angebracht sind, ist kurz – sehr kurz, wie der Verfassungsschutz-Ausstellungsbegleiter erklärt.
Unter Beobachtung
Sobald die BesucherInnen die Schwelle überschritten haben, stehen sie mittendrin. Der Verfassungsschutz-Mitarbeiter kündigt an: „Nun sind Sie im Bereich des Extremismus; die Schwelle deutet ja schon an, dass die Grenze zwischen freiheitlich demokratischer Grundordnung und Extremismus fließend ist. Sie stehen nun unter Beobachtung.“ Man merkt gleich: Das BfV meint es ernst. Zwei Schaufensterpuppen in Montur eines Linksextremisten und eines autonomen Nationalisten stehen neben den Stellwänden. Auf Grundlage des Verfassungsschutzberichtes von 2009 zeigen die Stellwände die Gegner der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Ein fader Beigeschmack kommt auf, stehen doch islamistische und linke Extremisten neben rechten. Die Todesopfer, die Aktivitäten islamischer und linker „Terrorgruppen“ in Deutschland forderten, werden genannt. Die über sechs Millionen ermordeten jüdischen Menschen, welche die Nazis zu verantworten haben und von ihren heutigen AnhängerInnen vehement verleugnet werden, sind jedoch nirgends aufgeführt. Mit der Erhöhung des Etats zur Bekämpfung von linksextremistischen Gruppierungen und der umstrittenen „Extremismusklausel“ wird klar: Der Fokus der staatlichen Beobachtungen verschiebt sich von rechts nach links. Das verschweigt nicht einmal Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in seinem Vorwort des Verfassungsschutzberichts: „Die jüngsten Entwicklungen im Bereich des Linksextremismus geben besonderen Anlass zur Sorge.“
Extremismus
Eine Ausstellung zum Gegenstand des Extremismus ist aufgrund des Verständnisses des Begriffs schon schwierig. So gestaltet sich „Es betrifft Dich!“ auch als undifferenzierte Ausstellung und somit als wenig lehrreich und aufklärend – gerade für die Zielgruppe der Schülerinnen und Schüler.
„Hinsichtlich der Ziele des Linksextremismus lassen sich begründete Zweifel äußern, ob beispielsweise die aus dessen Reihen kommende Kritik gegen den nationalen wie globalen Kapitalismus mit einem extremistischen Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gleichgesetzt werden kann“, schrieb der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer in seinem Aufsatz „Extremismus – Linksextremismus – Rechtsextremismus, Begriffsdefinitionen und Probleme“ von 2008. Autonome Linksextremisten werden im Verfassungsschutzbericht 2009 als Menschen definiert, die „ein freies, selbstbestimmtes Leben“ innerhalb „herrschaftsfreier Räume“ anstreben. Offenbar ein eindeutiges Vergehen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Auch Demonstrierende gegen Atomkraft werden in der Ausstellung unter der Gruppe der Linksextremisten genannt. Eine begriffliche Einschränkung, wie sie sich im öffentlichkeitswirksamen und stark auf Probleme der inneren Sicherheit konzentrierten Extremismusbegriff des Verfassungsschutzes zeige, dürfe gerade wenn es um politische Bildungsarbeit geht, nicht erfolgen, folgert Neugebauer in seinem Aufsatz.
Statistisch gibt es mehr Straftaten aus dem Bereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“, doch „bedeutsamer als die absolute Zahl gewaltbereiter Personen ist allerdings, dass die Zahl der Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund im vergangenen Jahr (2009) erheblich gestiegen ist“, so de Maizière im Vorwort. Nach der Verhinderung des Naziaufmarsches in Dresden am vergangenen Wochenende durch linke GegendemonstrantInnen dürften die Zahlen für den Bereich „Politisch motivierte Kriminalität – links“ wohl erneut gestiegen sein.
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