Nicht bei allen Nutzerinnen und Nutzern besitzen Privatsphäre und Datenschutz tatsächlich den hohen Stellenwert, wie es in der öffentlichen Debatte gerne unterstellt wird. Im sozialen Raum sitzen viele der Illusion einer klaren Trennung von Öffentlichem und Privatem auf. Ist ein passwortgeschütztes Diskussionsforum an der Uni noch privat oder schon öffentlich, wenn mehr als 700 Studierende darauf Zugriff haben? Dürfen JournalistInnen aus Internetforen zitieren und damit eine Öffentlichkeit herstellen, die von den NutzerInnen vielleicht nicht intendiert war? In der Auseinandersetzung darüber vermischen sich neumediale Datenschutz- und Presserechtsdiskurse.
Was ist privat?
Im Zuge des Liberalismus des 18. und 19. Jahrhunderts wurde das gesellschaftliche Leben demokratietheoretisch als in einen privaten und öffentlichen Bereich aufgeteilt gedeutet. Auch die zunehmende Medialisierung befeuerte die Dynamiken innerhalb dieses Feldes enorm. Öffentlichkeit und Privatsphäre sind oftmals nicht trennscharf voneinander zu unterscheiden. JournalistInnen dürfen auf Informationen zugreifen, die im Grenzbereich zwischen Öffentlichem und Privatem liegen. Aber wann verletzten sie mit einer Publikation Persönlichkeitsrechte Einzelner?
Die Verantwortung journalistischer Praxis fußt auf dem Fundament demokratischer Verfassungen. Journalistinnen und Journalisten sind dafür verantwortlich, die gesellschaftlich notwendigen Diskussionen wiederzugeben und zu gewährleisten. JournalistInnen sollten es folglich einerseits als ihr Recht und andererseits als ihre Pflicht ansehen, frei, unbeeinflusst und sofort alle Informationen weiterzugeben, die die Menschen zur Meinungsbildung in einer Demokratie benötigen. Dabei sind sie dazu verpflichtet, nicht die Unwahrheit wiederzugeben. In der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ des Presserats heißt es dazu: „Sie verteidigen die Freiheit der Information, die sich daraus ergebenden Rechte, die Freiheit des Kommentars und der Kritik (…).“
Die journalistische Informationspflicht schließt mit ein, dass Informationen zutage gefördert werden, die für Einige manchmal eher unerfreulich sind. Erlaubt man JournalistInnen, frei zu arbeiten, kann man die Ergebnisse ihrer Arbeit prüfen und im Nachhinein als gut oder schlecht bewerten. Versucht man JournalistInnen jedoch die Freiheit zu nehmen, können die Endresultate, die sie liefern, nur schlecht und unzureichend sein. Die journalistische Arbeit steht immer auch in Wechselwirkung mit dem Recht des Einzelnen auf Achtung seiner Menschenwürde. Es gibt Bereiche, in die selbst JournalistInnen nicht eindringen dürfen, dazu gehören Individual-, Intim- und Geheimsphäre. Treten Personen jedoch öffentlich auf, stehen Name, das eigene Bild und die persönliche Ehre nicht mehr unter uneingeschränktem Schutz.
Bei Quellen, die den „neuen Medien“ entnommen sind, können JournalistInnen selten auf Richtlinien zurückgreifen, die aufgestellt wurden, bevor sich Internetforen zum modernen Meinungspool entwickelten. Die Anpassung journalistischer Verhaltensweisen an diese Entwicklung ist im Fluss. Bis auf Weiteres muss individuell entschieden werden, ob die im Internet geäußerte Meinung öffentlichkeitsrelevant ist oder nicht.
Autorisieren: Pflicht oder Kür?
Begehen JournalistInnen eine Persönlichkeitsverletzung, wenn sie Aussagen nicht autorisieren lassen und sie stattdessen anonymisieren? Das Vorlegen von Zitaten bei InterviewtpartnerInnen vor dem Abdruck ist in Deutschland gesetzlich nicht geregelt. Der Spiegel führte das Autorisieren einst ein, um die Redaktion vor unnötigen Fehlern zu bewahren und um potentielle Quellen der Kritik zu minimieren. Die Praxis ist eher eine „feine Art“, die JournalistInnen aus Höflichkeit anwenden können. Die Abstimmung von Zitaten geschieht hierzulande also weitestgehend nach ungeschriebenen Regeln.
Verantwortungsbewussten Nutzerinnen und Nutzern des Internets muss klar sein, dass sie Handlungen und Inhalte öffentlich machen, wenn sie sich zum Beispiel in Diskussionsforen bewegen. Auch wenn ein Uni-Forum passwortgeschützt ist, haben Dozierende und KommilitonInnen manchmal auf mehr Informationen Zugriff als wir gemeinhin denken. Grundsätzlich sollte man sich in der virtuellen wie auch der realen Welt darüber klar sein, dass man dafür Verantwortung trägt, was man sagt und tut.0
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