Bereits zwei Tage vor dem angekündigten Auftritt hatte sich die Linke Liste an der Ruhr-Uni mit einem offenen Brief an die Soziale Liste gewandt. Die Forderung: Der Auftritt der „Bandbreite“ auf dem Kulturfest der WählerInnenvereinigung am 11. September solle abgesagt werden. Der Vorwurf: die Band verbreitet unter anderem die Verschwörungstheorie, die US-Regierung habe die Anschläge am 11. September 2001 selbst verübt. Ebenso behauptet sie, auch andere islamistische Terroranschläge seien von westlichen Geheimdiensten inszeniert. Außerdem hätten die USA beim japanischen Angriff auf Pearl Harbour 1941 freiwillig die eigenen Leute geopfert, um in den Krieg ziehen zu können. Weil diese Theorien auch viele Anknüpfungspunkte zur extremen Rechten böten, sei es „unmöglich“, dass die Band auf Einladung einer linken Wählervereinigung spielen soll, so die Linke Liste.
AStA: Soziale Liste vorerst keine Bündnispartnerin
Trotzdem sagte die Soziale Liste den Auftritt der Verschwörungs-Hip-Hopper nicht ab. Der AStA der Ruhr-Uni Bochum bezeichnet das als einen „ernsthaften Vorgang“: Bisher habe man mit der Sozialen Liste im Kampf gegen Studiengebühren und Sozialabbau zusammengearbeitet, erklärt der AStA-Vorsitzende Jan Keitsch. Jetzt müsse man ihr Verhalten scharf verurteilen. Für Keitsch stellen sich viele Fragen: „Findet die Soziale Liste die nach rechts offenen Verschwörungstheorien akzeptabel? Wenn nicht, wie konnte es dann trotz der Warnungen zu dem Auftritt kommen? Bis diese Fragen geklärt sind, ist die Soziale Liste für uns keine Bündnispartnerin mehr.“ Inzwischen hat sich auch der Kreisverband der Grünen dem Protest angeschlossen.
Gegenüber der bsz gibt sich die Soziale Liste zugeknöpft. Man werde erst auf der kommenden Vorstandssitzung (nach unserem Redaktionsschluss) entscheiden, ob man Stellung beziehe oder andere Konsequenzen ergreife, erklärte der Vorsitzende der Sozialen Liste Christoph Nitsch. Weiter verwies er auf ein kurzes Statement, das der Vorstand drei Tage nach dem 11. September veröffentlicht hatte: „Wir sind nicht bereit, uns von der ‚Linken Liste’ bzw. der anti-deutschen Strömung vorschreiben zu lassen, wer auf unseren Kulturfesten auftritt oder nicht.“ Das Hip-Hop-Duo sei dem Vorstand der Sozialen Liste als antifaschistische Gruppe bekannt. Die Vorwürfe erscheinen den Verantwortlichen demnach als „unglaublich und als zumindest stark überzogen“.
Schanierglied nach ganz rechts
Glauben muss die Soziale Liste den KritikerInnen auch nicht, denn die Kontakte von „Die Bandbreite“ in die rechte Szene sind leicht überprüfbar. In der Öffentlichkeit tritt die Band regelmäßig mit T-Shirts auf, die den konservativ-populistischen Verschwörungstheorie-Blog „Alles Schall und Rauch“ bewerben. Die Seite macht aus ihren Sympathien keinen Hehl: So wird der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche dort als einer „der wenigen deutschen Patrioten“ bezeichnet, der anders als die sonstigen „Landesverräter“ gegen den EU-Vertrag gestimmt habe. Nitzsche hatte zuvor öffentlich gegen den „Schuldkult“ und gegen „Multikultischwuchteln“ gewettert und war 2006 nach massiven Rechtsextremismusvorwürfen aus der Unionsfraktion und der CDU ausgetreten.
Vergangenes Jahr trat „Die Bandbreite“ außerdem auf dem verschwörungstheoretischen AZK-Kongress auf, der von Ivo Sasek, dem Gründer der evangelikal-esoterischen Organischen Christus-Generation (OCG) organisiert wird. Andere Gäste waren der Esoteriker Harald Baumann, der die „Neue germanische Medizin“ des Antisemiten und verurteilten Betrügers Ryke Geerd Hamer propagiert und die rechte Katholikin Gabriele Kuby, die auf der Veranstaltung Gender Mainstreaming als „Kultur des Todes“ bezeichnete, „der jährlich 50 Millionen ungeborene Kinder zum Opfer fallen“. Im Oktober 2009 trat sogar der bekannte schweizer Neonazi und offene Holocaust-Leugner Bernhard Schaub auf dem AZK-Kongress als Redner auf.
Und schon kommenden Samstag – zwei Wochen nach dem Auftritt bei der Sozialen Liste – will sich „Die Bandbeite“ wieder in rechter Gesellschaft herumtreiben. Sie kündigte an, in Berlin zur „Aktionskonferenz: Der Euro vor dem Zusammenbruch“ das Abschlusskonzert zu bestreiten. Als einer der Hauptredner auf der Veranstaltung ist Karl Albrecht Schachtschneider eingeladen, der als Integrationsfigur in der rechten Verschwörungstheoretiker-Szene gilt. 2005 trat er als Sachverständiger für die sächsische NPD-Landtagsfraktion auf. Im vergangenen Jahr engagierte er sich für die rechtspopulistische Wählervereinigung Pro Köln – unter anderem mit einem Vortrag gegen das „Grundrecht auf den Bau von Großmoscheen“.
„Die Soziale Liste wird nicht drumherum kommen, zu all diesen Verwicklungen ihrer Gäste Stellung zu beziehen“, sagt der AStA-Vorsitzende Jan Keitsch. „Und auch dazu, ob wir damit rechnen müssen, zukünftig mit sowas in Verbindung gebracht zu werden, wenn wir mit der Sozialen Liste zusammenarbeiten.“
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