Christoph Schlingensief ist tot. Mit ihm hat die Welt einen großen Anarchisten der politisch-kulturellen Bühne verloren, der alles dafür Tat, nicht nur auf der Bühne zu stehen. Ob das „Deutsche Kettensägenmassaker“ im Jahr 1990, die Parteigründung unter dem Motto „Scheitern als Chance“ und der „Ausländer-Raus“-Container in Wien zehn Jahre später, ob die umstrittene Viva-Show „Freakstars 3000“ und seine unzähligen Theaterinszenierungen: Was die Medien als Provokation eines bildschirmtauglichen Enfant terrible liebten, war in Wirklichkeit viel mehr: Ein Kampf um Authentizität wie ums Plagiat, um echte Gefühle wie um die Demaskierung von alltäglicher Barbarei. Schlingensiefs Maskerade demaskierte regelmäßig unter Schmerzen die traumatische Realität – und das mit unglaublich viel Humor. Das wird uns fehlen. Über Schlingensief konnte man sich auch ernsthaft ärgern, wenn ein Projekt so unangenehm scheiterte wie seine Hamlet-Inszenierung unter anderem mit dem angeblichen Neonazi-Aussteiger Torsten Lemmer im Jahr 2001, der erst vor etwas mehr als einem Jahr erneut wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. Unvergessen jedoch bleibt so vieles – nicht nur Schlingensiefs Aufruf an seinerzeit über vier Millionen Arbeitslose, zeitgleich in den Wolfgangssee zu hüpfen, um Helmut Kohls Villa zu überschwemmen. Schade nur, dass derlei Appelle in diesem unserem Lande seit 1848 stets ungehört verhallen.
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