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Der Antikriegstag geht auf eine Initiative des Deutschen Gewerkschaftsbundes aus den 50er Jahren zurück. Am 1. September, dem Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen, wollten die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter einen festen Termin etablieren, an dem in der ganzen Republik Aktionen gegen Krieg stattfinden sollten. Dass nun ausgerechnet Nazis diesen Termin aufgreifen, irritiert auf den ersten Blick. Inhaltlich verbirgt sich hinter dem vermeintlichen Pazifismus die Feindschaft gegen die USA, Israel und explizit auch gegen die von den „Pseudodemokratien“ proklamierte „Gleichheit aller Menschen“ – was die rechten „Kriegsgegner“ in ihrem Aufruf auch freimütig kundtun. Gegen Krieg ist man nur, wenn ihn die Anderen führen und man selbst nichts davon hat. Die oberflächliche Übernahme links anmutender Rhetorik und die Besetzung vermeintlich linker Themen ist bei den dortmunder Nazis Programm. Die tonangebenden Gruppen in der Nachbarstadt gehören zu den „Autonomen Nationalisten“. Das sind Nazis, die sich munter im kulturellen Repertoire linker Jugendsubkultur bedienen, Springerstiefel gegen Skateschuhe eingetauscht haben und hauptsächlich durch eines auffallen: Gewalt. Ihre Taten richten sich vor allem gegen tatsächliche oder vermeintliche politische Gegner. Der Angriff von 300 Neonazis auf die Maikundgebung des DGB im vergangenen Jahr war nur ein Höhepunkt, der von einem jugendlichen Nazi erstochenen Punk im Jahr 2005 ein anderer – und immer wieder eingeschmissene Fensterscheiben: In Parteibüros, Buchläden, unliebsamen Nachbarfamilien und zuletzt beim AStA der TU Dortmund.

Machtfragen

In Dortmund hat sich über die Jahre eine der bundesweit aktivsten Neonazi-Szenen entwickelt. Immer wieder ziehen neue rechte AktivistInnen aus dem Umland in die Stadt. Vor Ort ist um r echte Wohngemeinschaften, einem als umgebauten „Nationalen Zentrum“ fungierenden Ladenlokal und der gezielten Ansiedlung rechter Kader in bestimmten Stadtteilen ein Biotop entstanden, mit dem sich auch auf lokaler Ebene Nachwuchs an die Szene binden lässt. Die regelmäßig stattfinden Demonstrationen der Rechten sind dabei nicht nur politische Werbeveranstaltungen oder Happenings für die eigenen Leute. In ihnen drückt sich vor allem ein Machtanspruch aus: Es geht um die Frage, wer bestimmen kann, was im öffentlich Raum geschieht.

Protest mit Segen

Gegen die rechten Dominanzansprüche formiert sich Widerstand. Mehrere Bündnisse rufen zu Protesten gegen die rechte Demonstration und das am Tag zuvor angekündigte Rechtsrock-Konzert in der Innenstadt auf. Bei der Polizei wurden bisher rund 40 Veranstaltungen angemeldet. Das Bündnis „Dortmund stellt sich quer“ ruft dazu auf, die rechte Demo zu verhindern. Als Vorbild für die eigenen Aktionen hat sich der Zusammenschluss aus DKP- und Linkspartei-Gliederungen sowie Antiimperialisten die Sitzblockaden genommen, mit denen GegendemonstrantInnen Anfang des Jahres einen rechten Umzug in Dresden stoppen konnten. Den Startpunkt der von dem Bündnis angemeldeten Demonstration am Hauptbahnhof habe die Polizei bestätigt, so der Demo-Anmelder gegenüber der bsz.

Protest ohne Segen

Die einzige andere Demonstration, von der bisher bekannt ist, dass sie ebenfalls am Bahnhof starten soll, ist der rechte „Antikriegstags“-Umzug. Während die Polizei diese Information noch verifiziert, gibt sich die Beamten im Präsidium bei weiteren Nachfragen zugeknöpft: Über die Routenführung der rechten Demo gibt es keine Auskunft, man wolle ja keine Werbung für die Rechten machen. Zu den anderen Demonstrationen heißt es ebenfalls: Kein Kommentar. Dabei wirft das Handeln der Polizei im Vorfeld eine Reihe von Fragen auf. Warum darf die Nazidemo am Hauptbahnhof starten, während zwei andere Gegenkundgebungen per polizeilicher Auflage an den Rand der Innenstadt verlegt werden? Das Bündnis „Dortmund gegen Rechts“, dass vom Hauptbahnhof durch die Nordstadt laufen wollte, wurde die Route nach eigenen Angaben untersagt. Ähnlich erging es dem antifaschistischen „S4“-Bündnis, das von zahlreichen Gruppen aus dem Antifa-Spektrum und linken Hochschulgruppen unterstützt wird und im Vorjahr mehr als 2.000 Menschen auf die Straße gebracht hat.  In einem Bescheid begründet die Polizei die zwangsweise Verlegung der „S4“-Demonstration unter anderem damit, dass der Veranstalter von „Dortmund stellt sich quer“ gesagt habe, dass er „für nichts ,garantieren‘ kann“, wenn sich die beiden Veranstaltungen treffen. Hintergrund sind politische Differenzen zwischen den beiden Bündnissen. Die Polizei folgert daraus, „dass es zu körperlichen Auseinandersetzungen“ kommen würde. Aber: Der besagte Veranstalter hat so etwas nie gesagt, wie er im Gespräch mit der bsz erklärt und vermutet hinter dem Zitat „Polizeitaktik“. Ob Taktik oder nicht, das „S4“-Bündnis will nun gegen die Verbannung aus der Innenstadt vor Gericht ziehen. Wie es damit weiter geht könnt ihr am 18. August selbst erfragen. Das S4-Bündnis informiert dann an der Ruhr-Uni um 19 Uhr in GC 03/149 über die aktuellen Entwicklungen. Mehr Infos gibt es unter s4.blogsport.de.

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