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  Schon Kafka wusste: Ein Buch sollte die Axt  für das gefrorene Meer in uns sein. Manchmal kommt es einzig darauf an, einem Buch im richtigen Augenblick zu begegnen. In Buchhandlungen bekommt man, was die Buchbestellung per Mausklick nie wird bieten können: eine Begegnung mit dem einzigartigen Geist der Bücher. Hautnah – Einband, Buchgeruch, Seitenknistern. Dieser viel zu kurze Abriss zur Bochumer Bücherwelt ist all jenen gewidmet, bei denen die Gefahr groß ist, dass sie einst von ihren eigenen Bücherstapeln oder -regalen erschlagen werden.

„Der Ubu-Mann“

  Direkt hinter dem Bochumer Hauptbahnhof findet sich das Herz der Bochumer Bücherwelt. Das Ubu-Antiquariat an der Universitätsstraße 26. Wolfgang Jöst und sein 1986 eröffnetes Antiquariat sind echte Unikate. Aufgebaut auf Enthusiasmus, Leidenschaft für Bücher und einem offenen Geist findet sich hier auf zwei Etagen ein Bücherstapel neben dem anderen. In den schier unendlichen Weiten dieses Bücheruniversums kennt sich vermutlich nur der „Ubu-Mann“ selbst wirklich aus. Er ist fast ein Stück lebende Geschichte Bochums mit seiner Raucherbuchhandlung, in der schon so mancher Bücherfreund die Zeit vergessen hat. Hier findet die Kundschaft nicht nur ein reichhaltiges Angebot politischer Literatur der 60er, 70er Jahre oder des 20. Jahrhunderts, sondern sie merkt auch, dass mit dem Buchbestand unzählige weitere Bereiche abgedeckt werden. Für Unerfahrene ist höchste Vorsicht geboten: Schon der erste Besuch birgt erhöhtes Suchtpotential. Besonders Gefährdete sollten sich nur unter Aufsicht von Fortgeschrittenen in dieses Buchuniversum wagen.

Zwischen Bücherliebe und Bücherwahn

Im Campus-Center der Ruhr-Uni ist Peter Stobbe der Herr der Bücher. Ihm gelingt es in seinem modernen Antiquariat einerseits die studentische Büchergrundversorgung zu gewährleisten und darüber hinaus auch den speziellen Präferenzen seiner Kundschaft Rechnung zu tragen. Unschlagbar sind bei der großen Auswahl an geisteswissenschaftlicher Literatur die entsprechenden Preise. Jede Woche, manchmal täglich, kommen neue Schätze hinzu, die entdeckt werden wollen. Außerdem gibt es bei ihm einen Fachbuchschnelldienst, der diesen Namen in den meisten Fällen wirklich verdient hat. Er ist der Buchhändler, der immer einen passenden Spruch parat hat und Ungeduldige manchmal sogar den ersten Blick in noch ungeöffnete Bücherkisten werfen lässt.
Die Mayersche an der Kortumstraße bietet nicht nur Bücher jeder Art, sondern auch viele weitere Medien wie DVDs, Hörbücher und Musik. Hier fehlt beim Stöbern leider der persönliche Charme eines Antiquariats. Aber auch diejenigen, die ihre Bücher lieber neu und eingeschweißt erwerben, können im hinteren Teil der Mayerschen fast immer ein Schnäppchen machen. Ein Argument, das durchaus für diese Buchhandlung spricht, sind neben fachkundiger Beratung auch die Öffnungszeiten. Denn Bücher bekommt man hier sogar samstags noch bis 20 Uhr. Darüber hinaus ist die Vielfalt der Auswahl riesig bis unüberschaubar. Das erinnert daran, dass auch Bücher ihre Geheimnisse haben. Manchmal bleibt dann das größte Geheimnis, wie das eine oder andere Buch überhaupt entstehen konnte.

Lesen und lesen lassen

Etwas versteckt an der Pieperstraße 12 liegt die Buchhandlung Napp, die Bochumer Bibliophilen nicht nur Bücher bietet, sondern durch die Nähe zum Schauspielhaus auch regelmäßig als Veranstaltungsort für die verschiedensten Lesungen dient. Diese stehen nicht nur im Zeichen von lokal ansässigen Literatur- oder Musikprojekten, sondern bieten bei einem Glas Wein auch Literaten wie dem Wiener Robert Menasse ein Forum in intimer, aber stimmungsvoller Atmosphäre zwischen liebevoll bestückten Buchregalen. Hier finden Interessierte eine handverlesene Auswahl von Kinder- und Jugendbüchern, Krimis, Philosophie und Belletristik.
An der Brüderstraße findet sich noch die Universitätsbuchhandlung Janssen. Die Außenperspektive verschleiert, was in dieser Buchhandlung steckt. Deswegen gesteht auch der Schauspieler Armin Rohde nicht ohne Grund: „Hier kauf‘ ich meine Bücher seit 24 Jahren und werde es auch die nächsten 24 Jahre (mindestens) so halten!“. Hinter diesen Schaufenstern verbirgt sich nämlich eine wahre Schatztruhe für alle, die von Büchern einfach nicht lassen können. Persönliche Beratung bleibt hier kein leeres Versprechen.
„Gegen geborgte Bücher behält man stets eine gewisse formelle Höflichkeit. Man gewinnt kein Verhältnis zu solchen Büchern, man bleibt stets „per Sie“ mit ihnen.“ Wer Rilke an dieser Stelle zustimmen kann, findet in den aufgeführten Antiquariaten und Buchhandlungen zumindest erste Anlaufpunkte, um sich im Labyrinth der Literaturwelt zu orientieren. Zwischen den Deckeln eines Buches kann man das ganze Universum unterbringen. Aber beizeiten merken auch Bibliophile: Bücher sind verstockt, dem einen sagen sie alles, einem Anderen sagen sie nichts.

Antworten auf die Frage, ob Bibliophile tatsächlich die Herren und Bibliomane die Knechte ihrer Bücher sind, finden Interessierte in folgenden Werken:

Gustave Flaubert: Bücherwahn, 1836.
Elias Canetti: Die Blendung, 1936.
Umberto Eco: Der Name der Rose, 1980.

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