„Lächerlich und in dieser Form auch eine Verschwendung von Steuergeldern“ – diese Stellungnahme von Pottblog-Autor Jens Matheuszik ist noch einer der zurückhaltendsten Kommentare zum Ausgang des Gerichtsprozesses. Seit dem Urteil sehen sich Richterin Barbara Heller und Staatsanwältin Sabine Wenzel mit einem regelrechten Proteststurm konfrontiert. Die Grüne Jugend zeigt sich „entsetzt“, Annemarie Grajetzky vom Bochumer Friedensplenum ist „ziemlich erschüttert über den Ablauf und das Ergebnis des Prozesses“. Aichard Hoffmann vom Mieterverein Bochum hegt den Verdacht, dass die Staatsanwaltschaft „da eine Privatfehde führt, die mit öffentlichem Strafverfolgungsinteresse nichts zu tun hat“. Andere Stellungnahmen sprechen von einem Generalangriff auf die Pressefreiheit und einer Ohrfeige für das zivilgesellschaftliche Engagement. Der ver.di-Bezirk Bochum-Herne geht noch einen Schritt weiter und bezeichnet den Prozess als „himmelschreienden Justizskandal“ und schließt die eigene Erklärung mit den Worten: „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht!“
Vorwurf: Unfairer Prozess
Die große Aufregung kündigte sich schon während der Verhandlung an: Bis auf den letzten Platz war der Saal 134 des Bochumer Amtsgerichts gefüllt. Dort erlebten die Anwesenden eine ungewöhnliche Verhandlung. So unterbrach die Staatsanwältin den Angeklagten wiederholt rüde schon während seiner Aussage. Als der beklagte Redakteur in seiner Erklärung auf ein vorhergehendes Urteil einging, wurde er außerdem von der Richterin gestoppt und ermahnt, dass das alte Urteil nichts zur Sache tue. Ungläubige Blicke tauschten die BeobachterInnen aus, als die Richterin allerdings wenig später selbst eine gute Viertelstunde lang ausgerechnet dieses Urteil ausführlich verlas und es zur Grundlage ihrer eigenen Entscheidung machte – ohne dass der zuvor unterbrochene Angeklagte dazu noch einmal gehört wurde.
Urteil vorgefertigt?
Mit den üblichen Verfahrensregeln nahmen es die Behörden an diesem Tag sowieso nicht so genau. So ließ die Richterin es etwa zu, dass die Staatsanwältin nach dem Plädoyer der Verteidigung erneut das Wort an sich riss, um mit einer Replik zu antworten – völlig ungewöhnlich in einem Strafprozess. Regulär erhält anschließend lediglich der Angeklagte noch einmal die Gelegenheit, sich zu äußern. Die Auffälligkeiten setzten sich auch bei der Urteilsverkündung fort, die direkt im Anschluss an den Prozess erfolgte: Ohne auch nur auf ein einziges Argument der Verteidigung einzugehen, zog Richterin Barbara Heller einen im Vorfeld der Verhandlung verfassten Text hervor und las weite Teile der Urteilsbegründung von dem Zettel ab. So drehten sich im Anschluss der Verhandlung auch viele Gespräche des Publikums um den allgemeinen Eindruck, dass das Urteil wohl schon vor Prozessbeginn festgestanden habe.
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