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An der Ruhr-Universität hilft das Servicezentrum für Behinderte (SZB) des AKAFÖ in Sachen selbstbestimmtes Studium und Leben weiter. Seit Mai hat das SZB mit Katrin Gabler Verstärkung bekommen. Selbst körperbehindert, weiß sie um die Probleme von Menschen und Studierenden mit Behinderung. Neben der Organisation des Studiums ist Katrin Gabler als zertifizierte Beraterin für Persönliche Assistenz auch Ansprechpartnerin für die Organisation des alltäglichen Lebens. Besonders wichtig sei ihr dabei die Selbstbestimmung. Mit guter Beratung und Hilfestellung kann vielen die Angst vor einem selbstständigeren Leben und vor Hürden wie Finanzierung und Behörden genommen werden.

Assistenz selbst auswählen

Statt Sachleistungen– wie beispielsweise die Betreuung durch zugewiesene Fachkräfte– haben behinderte und chronisch kranke Menschen seit 2008 das Recht auf ein Persönliches Budget und damit die Möglichkeit selbst auszuwählen, wer die Unterstützung im alltäglichen Leben leisten soll. Gerade für Studierende sei das Modell der Persönlichen Assistenz, welche unter anderem durch das Persönliche Budget finanzierbar ist, sehr interessant, so Gabler. Es besteht die Möglichkeit, mit dem Budget auch mehrere Assistentinnen und Assistenten zu beschäftigen. Damit würde die Koordination von Studium, Freizeitgestaltung und Pflege erleichtert. Doch: „Noch viel zu wenige wissen bislang von dieser Möglichkeit.“ Von etwa 1,8 Millionen Betroffenen in Deutschland nutzen heute gerade mal etwa 2.000 Menschen die Persönliche Assistenz. Ein Grund dafür sieht der Bundesverband „Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen e.V.“ (ForseA) in der unzureichenden Berichterstattung der Medien und der Angst seitens der behinderten Menschen, dass ihnen Leistungen gekürzt würden, wenn sie das Persönliche Budget in Anspruch nehmen: „Aber das Persönliche Budget ist in dem Sinne keine neue Leistung, die man erhält, sondern nur eine andere Form der Leistungserbringung“, wie Katrin Gabler erklärt.

Teilhabe und Verantwortung

Mit dem Persönlichen Budget sei endlich eine vermehrte Teilhabe an der Gesellschaft möglich, so eine ehemalige RUB-Studentin mit Körperbehinderung. Bevor sie das Persönliche Budget in Anspruch nehmen konnte, war sie auf die Hilfe ihrer Freunde angewiesen, was auch schon mal zu Spannungen führte. Nicht immer haben Freunde Zeit und Lust. Nun führe sie ein eigenes kleines Unternehmen. Ein Mehr an Selbstbestimmung bringt aber auch mehr Eigenverantwortung mit sich. Das zugewiesene Geld muss selbst verwaltet und als Lohn an die Assistierenden ausgezahlt werden. „Es ist auch ein schönes Gefühl, dass ich Studierenden die Möglichkeit bieten kann, neben ihrem Studium Geld zu verdienen– leider sind Studierende oft nicht so flexibel. Das BA/MA System ist schon eine Belastung. Die Studierenden sind in ihrer Zeitplanung stark eingeschränkt“, so die ehemalige RUB-Studentin, die dennoch nicht auf ihre studentischen Assistentinnen und Assistenten verzichten möchte.

Jede/r kann assistieren

„Eine entsprechende Ausbildung zum Assistenten gibt es nicht und wäre auch unpraktikabel, da der behinderte Arbeitgeber den Assistenten anlernt und selbst bestimmt, wie etwas wann und wo gemacht werden soll“, berichtet Katrin Gabler. Ob eine Ausbildung im Pflegebereich notwendig ist, bestimme der behinderte Arbeitgebende selbst– letztendlich könne jede/r als Persönliche/r Assistentin und Assistent tätig sein. „Dabei sind vor allem Sympathiefaktoren nicht unentscheidend“, so Gabler weiter. „Wie viele Assistentinnen und Assistenten man beschäftigt, muss jeder für sich selbst herausfinden. Jeder muss diese Erfahrung selber machen und entscheiden, mit wie vielen Personen man aus- und zurechtkommt“, sagt Gabler

Geld und Geduld

In manchen Fällen müssen sich die Antragstellenden auf lange Bearbeitungszeiten bei den zuständigen Leistungsträgern einstellen, so Gabler. Ein weiteres Problem sei, so die AKAFÖ-Beraterin, dass es außerdem noch immer vorkomme, dass das bewilligte Budget nicht bedarfsdeckend ist und somit nicht ausreiche: „Aus diesem Grunde ist es wichtig, Beratung frühzeitig in Anspruch zu nehmen, damit von Anfang an Unklarheiten und Unsicherheiten geklärt werden können.“ Speziell an der RUB sieht Katrin Gabler wenig Probleme, selbstbestimmt zu studieren. „Die RUB bietet im Vergleich zu anderen deutschen Unis gute Bedingungen, auch mit einer Behinderung zu studieren“, so Gabler.
Was aber, wenn das Studium beendet ist? Im Forum ForseA und im Gespräch, speziell mit behinderten Akademikerinnen und Akademikern, ist die „Einkommens- und Vermögensanrechnung“ ein brennendes Thema. Die Finanzierung von Assistenzleistungen, so auch das Persönliche Budget, gilt als Sozialhilfeleistung. Die Assistentinnen und Assistenten werden über Leistungen der Sozialhilfe, größtenteils im Rahmen des Sozialgesetzbuchs XII, finanziert. Wer also über ein Vermögen von 2.600 Euro verfügt oder über eine bestimmte Einkommensgrenze hinaus verdient, kann nach Ansicht verschiedener Leistungsträger die Kosten für seine Assistenz selbst tragen. Für viele behinderte Menschen ist es somit nicht möglich, Rücklagen zu bilden, um sich etwa ein Auto leisten zu können. Das widerspricht jedoch dem Grundgedanken– nämlich dem, dass behinderte Menschen so uneingeschränkt wie möglich am gesellschaftlichen Leben teilhaben sollen. Laut ForseA bedeutet das für die Betroffenen, dass sie für immer ein Leben auf Sozialhilfeniveau führen müssen, selbst wenn sie trotz Behinderung ein Studium absolviert haben und einen Arbeitsplatz finden. So wie jede/r andere Mensch eben  auch.

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