Die „Bewertung der Effizienz und Gerechtigkeitswirkung der Studiengebühren“ beginnt mit einem Zitat von Karl Marx: „Wenn […] auch höhere Unterrichtsanstalten unentgeltlich sind, so heißt das faktisch nur, den höheren Klassen ihre Erziehungskosten aus dem allgemeinen Steuersäckel zu bestreiten.“ Unrecht hatte Marx 1875 nicht mit dem, was er sagte. Im Gegensatz zu heute gab es aber noch kein einheitliches Steuersystem. Ein großer Teil des Steueraufkommens wurde durch Konsumbesteuerung – wie etwa von Salz oder Zucker – erzielt und es gingen noch weit weniger „Arbeiterkinder“ zur Universität als heute.
Mit diesem dekontextualisierten Marx-Zitat scheint den Damen und Herren schon bestätigt, was der RUB- Senat Semester für Semester predigt: Der Verzicht auf Gebühren führe zu einer Umverteilung von unten nach oben. Mit dieser Erkenntnis spielen sie der professoralen Senatsfraktion zu. Bereits vor einem Jahr bemerkte Prof. Dr. Axel Schölmerich, Mitglied des Senats, dass die Gebühren eine Umverteilung von oben nach unten brächten.
Reiche Eltern für alle
Anhand verschiedener Thesen erarbeiteten die Forschenden eine Stellungnahme, die den Studierenden – egal ob aus sozial schwächeren oder stärkeren Schichten – vor den Kopf stoßen. Hätten wir nicht alle gerne reiche Eltern? Wer keine hat, kann ebenso wenig etwas dafür wie diejenigen, deren Eltern in der Lage sind, das Studium ihrer Kinder zu finanzieren. Die Gegnerinnen und Gegner der Gebühren werden von den neun Bochumer Wirtschaftswissenschaffenden nun beschuldigt, durch ihre Forderungen Anreize zur Ausbeutung der Solidargemeinschaft zu setzen. Es sei zwar faktisch nicht falsch, dass Gebührenfreiheit den wirtschaftlich Schwächeren zugute kommt, doch man müsse ebenfalls beachten, dass der Verzicht auf die Gebühren auch – und vor allem – Kindern aus den gut situierten Familien die Bildung subventioniere. Nun, wenn die Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler, Senatorinnen und Senatoren im Bildungsstreik besser aufgepasst hätten, wüssten sie, dass die Forderung der Studiengebührengegnerinnen und -gegner lautet: Bildung für alle und zwar umsonst.
Realität ausgeblendet
Die Erhebung der Studiengebühren sollte laut den Wirtschaftsforschenden durch ein gegebenenfalls einkommenabhängiges Kreditsystem unterstützt werden. Damit wäre man wieder beim BaföG oder dem NRW-Kredit, der die Studiengebühren vorfinanziert. Das würde aber längst nicht bedeuten – wie die Realität zeigt –, dass man als Kind aus einem sozial schwächeren Umfeld neben dem Studium nicht mehr arbeiten gehen müsste und die Chance hätte, sein Studium in Regel- zeit abzuschließen. Auch eine individuelle Förderung der Betroffenen, also derjenigen aus sozial schwächeren Bevölkerungsschichten, wäre denk- bar. Etwa in Form der Freistellung von den Gebühren oder des Verzichts auf Zinsen bei Bildungskrediten. „Es wird völlig ignoriert, dass durch einen angepassten Steuersatz Besserverdienende natürlich einen größeren Anteil zahlen als Geringverdiener“, so der AStA-Vorsitzende Jan Keitsch. Weiter würde in der Stellungnahme der Fakt, dass zahlreiche Studierende aufgrund der Gebühren erst gar kein Studium beginnen und diese natürlich überwiegend aus sozial schwächeren Familien stammen, ausgeblendet. „Dieser Umstand wird in der Studie sogar begrüßt. Bildung als Menschenrecht wird so voll- kommen ausgehöhlt. Das ist politisch unverantwortlich und in dieser Form auch ganz einfach unwissenschaftlich“, so Keitsch.
Verkauf der Lehre
Die Lösung des Gebührenproblems sehen die Wirtschaftsexpertinnen und -experten der RUB nicht in der derzeit betriebenen Budgetfinanzierung, also der Finanzierung durch das allgemeine Steueraufkommen. Lediglich eine reine Preisfinanzierung würde die Schwäche des Bildungsmarktes kurieren können. Die Uni müsste sich nach diesem Modell ihre Mittel durch den Verkauf ihrer Leistungen beschaffen. Das würde bedeuten, dass Lehre an sich als eine Leistung an die Studierenden verkauft würde. Also Lehrleistungen gegen Studiengebühren. Die Stellungnahme richtet sich demnach gegen Bildungsfinanzierung aus der Staatskasse. Wo kämen wir auch hin, wenn nicht jeder Steuereuro jeder und jedem einzelnen direkt zugute käme? Dann müsste man sich überlegen, ob es gerecht ist die Steuerzahlenden weiterhin für Arbeitslose, Behinderte, Rentnerinnen und Rentner, Banken oder für die Rettung der deutschen Automobilindustrie aufkommen zu lassen. Und nicht zuletzt für die Gehälter von Professorinnen und Professoren.
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