Hatecore88, NordischeMaid, HaSSangriff, NSbunnyMV – so lauten einschlägige Login-Namen bei der Partnerbörse MA-Flirt. Auf Fotos posieren paarungswillige Neonazis mit Waffen sowie unter Hakenkreuz-Fahnen und anderen strafrechtlich relevanten Symbolen. Die veröffentlichten Datensätze geben ihre Mailadressen, die persönlichen Flirt-Nachrichten, ihre Wohnorte und zum Teil auch ihre Arbeitgeber preis. Besonders schmerzhaft für die Szene dürfte nicht nur die Enttarnung von über 1000 aktiven Neonazis inklusive belastendem Fotomaterial sein. Im Anschluss an den Hack konnten antifaschistische Aktivis-tInnen die veröffentlichten Mailadressen und Passwörter bereits nutzen, um in weitere Neonazi-Foren einzudringen. Dabei machten es einige der Rechtsextremen den AngreiferInnen denkbar einfach: Das mit Abstand beliebteste Passwort in der ultrarechten Partnerbörse war „123456“, gefolgt von „landser“, „landser88“ und „siegheil“. Seit der Veröffentlichung der Daten ist die Neonazi-Flirtseite offline.

Rechtsextreme Modemarke

Für zusätzliche Unruhe sorgt in der rechten Szene der Hack des Versandhandels  Thor Steinar. Auf dem militant rechtsextremen Internetportal Altermedia drohen Neonazis, deren Adressen nach eigenen Aussagen in der Datei zu finden waren, bereits mit Brandanschlägen gegen linke Zentren und Treffpunkte des „Chaos Computer Club“.
In der KundInnenliste von Thor Steinar finden sich tatsächlich die Namen von bekannten Neonazis – aber nicht nur. Unter anderem in Berlin und Recklinghausen wird derzeit beraten, wie damit umzugehen ist, dass sich auch Polizeibeamte auf der KundInnenliste des brandenburgischen Versandhandels finden. Zwar könne nicht alleine durch einen dadurch auf eine rechte Gesinnung geschlossen werden. Allerdings stellte selbst der Brandenburger Verfassungsschutz fest, dass Thor-Steinar-Kleidung kaum ohne entsprechenden politischen Hintergrund getragen werde. Vielmehr handle es sich um ein „ein identitätsstiftendes Erkennungszeichen“ für RechtsextremistInnen.
Dass die PolizistInnen die rechte Kleidung aus dienstlichen Gründen kauften, gilt als unwahrscheinlich. Bereits im November 2008 hatte der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch öffentlich erklärt, seine Beamten dürften Thor Steinar-Kleidung nicht im Dienst tragen – auch nicht zur Tarnung bei Ermittlungen gegen Rechte. Seit vergangenem März ist das Tragen von Thor Steinar und anderen rechten Labels Berlins ZivilpolizistInnen sogar ganz offiziell unter Androhung eines Disziplinarverfahrens untersagt. Im Deutschen Bundestag und im Landtag Mecklenburg-Vorpommern ist die rechte Marke schon länger verboten – genauso wie in den Fußballstadien von Werder Bremen, Hertha BSC, Dynamo Dresden, Borussia Dortmund, St. Pauli. In Bochum hat vor zwei Jahren ein ungewöhnlich breiter Protest verhindert, dass sich in der Oskar-Hoffmann-Straße ein Geschäft mit Kleidung des Neonazi-Labels etablieren konnte.

Kontroverse Diskussionen

Im Umfeld des jährlichen „Chaos Communication Congress“ hat es bereits früher konzertierte Hackerangriffe auf rechte Webseiten gegeben. Im vergangenen Jahr wurden die Bundeshomepage der NPD sowie etliche Seiten von Landesverbänden vorübergehend lahmgelegt und verändert. NPD-Homepages sammelten nun Spenden gegen Rechts, auf den Seiten der NPD Jena wurde sogar eine Kundgebung zur Auflösung der NPD beworben. Weiterhin hatten die Hacker auch schon damals Listen mit Benutzernamen von NPD-Seiten veröffentlicht – eine Tatsache, die ein Sprecher des CCC mit der Feststellung kommentierte, dass mit dem ein oder anderen Teilnehmer offenbar „das bürgerliche Engagement durchgegangen“ sei. Die diesjährige Veröffentlichung von zehntausenden Datensätzen im Internet wird unter den BesucherInnen des Chaos Communication Congress kontrovers diskutiert. Schließlich lautet einer der Grundsätze des Chaos Computer Club: öffentliche Daten nützen, private Daten schützen. Folgerichtig stellte die CCC-Sprecherin Constanze Kurz in der Berliner tageszeitung (taz) klar: „Das ist definitiv nicht gemäß unserer Ethik.“ Gleichzeitig, so berichtet die taz, sei ihr natürlich bewusst, dass Hacker durch ihre Aktionen Öffentlichkeit darüber herstellen könnten, wo sich die Naziszene im Netz organisiere.

 

(Autor der Redaktion bekannt)

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