Die deutschen Studiengebühren haben nicht nur hierzulande negative Auswirkungen. Sie verschlechtern auch die Situation der Unis in den europäischen Nachbarländern. Der Ansturm deutscher Gebührenflüchtlinge sorgt in Österreich für volle Hörsäle und ein knapperes Platzangebot für die österreichischen Studierenden. Hier macht sich Unmut breit: Wer soll die dringend benötigten Verbesserungen in Ausstattung und Lehre der österreichischen Universitäten zahlen? Die österreichischen Grünen wollen nun sogar, dass Berlin finanziell für die deutsche Mehrbelastung der Alpen-Unis aufkommt. Das wird allerdings kaum passieren. Die Regierung unter dem SPÖ-Kanzler Faymann weigert sich derzeit noch standhaft, die Studiengebühren wieder einzuführen. Angesichts des deutschen Ansturms könnten allerdings die GebührenbefürworterInnen argumentatives Oberwasser bekommen.
Notfallbestimmung
Die Finanzierung ist nicht die einzige Streitfrage. Auch eine erneute Verschärfung des Zugangs zu den österreichischen Universitäten ist in Diskussion. Im letzten Jahr wurden die Zugangsregelungen gelockert. Auf Antrag können die alten Hürden aber wieder eingeführt werden – im österreichischen Universitätsgesetz ist für solche Fälle ein „Notfallparagraph“ verankert. Die Unis Wien, Salzburg und Klagenfurt haben bereits entsprechende Anträge an die Regierung gestellt. Auch österreichische Studierende müssten dann wieder Auswahlverfahren durchlaufen: „Meine Tochter will im nächsten Semester mit einem Studium in Österreich beginnen. Nun haben wir Sorge, dass wir das Studium wieder bezahlen müssen, wenn sie die Auswahlprüfung, die ja verschärft werden soll, überhaupt schafft“, klagt eine österreichische Mutter. Schon ab dem kommenden Sommersemester sollen die Beschränkungen wieder eingeführt werden. Im vereinigten Europa wirken sich die deutschen Bildungshindernisse somit indirekt negativ auf die Situation von Studierenden in den Nachbarländern aus.
Auswirkungen der Gebühren im Ausland
Auch in Polen gibt es keine Studiengebühren. Ein Studium dort scheint jedoch weniger attraktiv als in Österreich. Sprachbarrieren und Vorurteile halten deutsche Studierende noch davon ab, ihr Studium in Polen zu absolvieren. Ein Studium in den Niederlanden ist hingegen beliebter. Hier wird häufig in englischer Sprache gelehrt. Zudem meinen viele, dass Niederländisch im Gegensatz zu Polnisch einfacher zu erlernen und für das zukünftige Leben nützlicher sei. Das mit 1672 Euro pro Jahr zwar teurere Studium in den Niederlanden ist wegen der höheren Studienqualität und der besseren Finanzierungsmöglichkeiten auch bei vielen deutschen StudentInnen beliebt. Bis 2007 wurden die Studiengebühren bei guten Leistungen sogar zu großen Teilen zurückerstattet. Dies ist heute allerdings nicht mehr der Fall: Mit Einführung der Studiengebühren in Deutschland wurde das System der Studiengebührenrückerstattung in den Niederlanden Geschichte. Auch die niederländischen Studierenden bekommen also die deutschen Gesetze unangenehm zu spüren.
Volle Taschen trotz Gebühren
Wer in Holland pro Woche acht Stunden einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgeht, bekommt von der niederländischen Regierung pro Monat bis zu 939 Euro BAföG. Auch der Freibetrag ist dort viel höher, so dass man mehr dazuverdienen kann, ohne Angst zu haben, dass das BAföG gekürzt wird. So ist in Holland ein Einkommen von 1500 Euro monatlich möglich.
Dr. Peter Stegelmann betreibt die Homepage studieren-in-holland.de. Er meint, dass die Diskussion um die Studiengebühren in Deutschland zu verkürzt geführt werde: „Die deutsche Regierung sollte sich nicht fragen, wie die Studierenden in Deutschland die Studiengebühren finanzieren können, sondern umgekehrt, wie der deutsche Staat das Studium finanzieren kann, so wie das Holland beispielsweise macht.“ Ein Umdenken in der deutschen Bildungspolitik scheint nun angebracht. Das käme nicht nur den deutschen Studierenden zugute, sondern könnte zudem der negativen Beeinflussung der Studienbedingungen in den Nachbarstaaten ein Ende machen.
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