Der Begriff des ‚individuellen Studienablaufplans‘ ist sehr schwammig und fast beliebig auslegbar. Im Rahmen des EU-weiten ‚Bologna‘-Reformprozesses ist eine neue Studienstruktur mit den Abschlüssen Bachelor und Master durchgesetzt worden. Es stellt sich die Frage, ob die aktuellen Studienbedingungen die Vorschriften des Hochschulgesetzes noch erfüllen.
Die wenigsten Studierenden sind in der Lage, im Bachelorstudium einen Stundenplan zusammenzustellen, der den eigenen Interessen in größerem Maße gerecht wird, als dies durch die bloße Studienfachwahl gewährleistet ist.
Vorgeschriebene Inhalte
Dies liegt vor allem in der Verordnung von Pflichtveranstaltungen begründet. An dieser Stelle schlägt sich das Ziel Bolognas nieder, vergleichbare Abschlüsse innerhalb von Europa zu schaffen. Damit ist, nach der Auslegung der einzelnen am Bologna-Prozess beteiligten Länder, nämlich nicht der Erwerb von Methodenkompetenzen gemeint, sondern thematische Vergleichbarkeit. Dieses Verständnis hat einen extrem begrenzten Rahmen an inhaltlichen Wahlmöglichkeiten zur Folge.
Massenlernen statt selber lernen
Pflichtveranstaltungen begegnen dem oder der Studierenden zumeist als Einführung in Form der Vorlesung. Es ist natürlich richtig, dass eine generelle Einführung in ein Thema zu Beginn des Studiums häufig sinnvoll ist. Die Studierenden jedoch mit Anwesenheitspflicht und Leistungsnachweisen, die je nach Fach sogar benotet werden, zur aktiven Teilnahme zu zwingen, ist eine fragwürdige Methode.
Das gilt nicht nur für die Einführung in ein Thema. Auch in den Aufbaubereichen gibt es allerhand Vorschriften. Im Ein-Fach-Bachelor Sozialwissenschaft zum Beispiel folgen auf sechs Einführungsmodule – die meisten davon à zwei Vorlesungen, die je mit einer benoteten Klausur abschließen – stolze fünf Aufbaumodule, die alle absolviert werden müssen. Erst danach sieht das Studium einen Wahlpflichtbereich vor. Jedoch kann auch an dieser Stelle nicht von individueller inhaltlicher Gestaltung die Rede sein. Aus 13 Modulen müssen sechs ausgewählt werden, also eins aus zweien.
Es werden also weder eine interessenbedingte Vorbildung beachtet, noch Eigenverantwortung und -engagement unterstützt. Ein Studium, das so wenig Raum für eigene Ideen, Meinungsbildung und persönliche Entwicklung lässt, bereitet die Einzelnen nicht auf ein selbstbestimmtes Leben vor. Es entlässt die Studierenden als Arbeitsmaschine in eine vorgefertigte Wirtschaftswelt.
Doch das ist nicht das einzige Problem. Über die Nicht-Förderung von individuellen Interessen hinaus übergeht der Bachelor schlichtweg die Tatsache, dass es unterschiedliches Lernverhalten gibt. Lerntypen, die beispielsweise mit einer Vorlesung, sprich der akustischen Verarbeitung von Informationen, nichts anfangen können, müssen den Stoff der Veranstaltung mit doppeltem Zeitaufwand nacharbeiten. An dieser Stelle gerät auch die Kreditpunktvergabe ins Wanken. Wie kann ein Arbeitsaufwand von dreißig Stunden pro Kreditpunkt berechnet werden, wenn individuelles Lernverhalten keine Beachtung findet? Der Bologna-Prozess stellt also die Weichen dafür, die individuelle Förderung der Studierenden zu übergehen und so mit dem Grundsatz freier Bildung zu brechen.
Stoppt den Bologna-Prozess und weg mit den Pflichtveranstaltungen!
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