Kuriose Namen deutscher Staatsangehöriger
Folge eins: Kindernamen
Es ist in Konversationen absolutes Allgemeingut geworden, sich über die Namen der Unterschichtkinder zu mokieren. Insbesondere die Namen Justin, Kevin und Jaqueline werden immer wieder gern herangezogen, um den Wahnwitz der Namenswahl in den unterprivilegierten Bevölkerungsschichten zu illustrieren. Neuerdings bieten aber auch die Kindernamensgebungen der oberen Schichten Anlass zur Erheiterung.
Dass es nicht immer hilfreich ist, Schlagertexte (heute werden diese als Pop bezeichnet) vom Englischen ins deutsche zu übersetzen ist spätestens nach den Gesangversuchen des David Hasselhoff hinlänglich bekannt („Du“). Dennoch gewinnt man den Eindruck, dass es derzeit en vogue ist, seine Liedchen in einer Sprache zu trällern, die man mit viel gutem Willen und einer Tendenz zum laisser faire als Deutsch bezeichnen könnte.
Vorreiter auf dieser neuen deutschen Welle ist die Band Wir sind Helden. Deren Sängerin paarte sich offenbar mit dem Schlagzeuger betreffender Gruppe und das Ergebnis dieser Liaison wird nun in den Massenmedien besprochen: Ihr Sohn Friedrich.
Diese Namensgebung markiert eindeutig den Gegenpol zu den Namen, die man sonst auf der Straße, meist erregt geschrieen, zu hören bekommt: Marvin, Collin, Tyler und so weiter. „Friedrich, Ich hatte dich doch darum gebeten, nicht mit den Bienenwachsmalstiften in dein Was-Ist-Was Buch zu malen.“ ist insofern das funktionale Äquivalent zu „Marvin! Nimm die Finger vonne Pommes vom Tyler!“.
Auch im Kindergarten werden sich bald lustige Szenen abspielen: „Marvin! Du darfst nicht die Haare von Ottokar abscheiden!“ oder „Keanu, würdest du Brunhilde bitte nicht noch einmal als Fotze bezeichnen?“
Talkshowmatadore würden in dieser extremen Spreizung der Namensgebung einen Beweis für den Wegfall der Mittelschicht erblicken, im Sinne von: Bald wird es nur noch ein paar sehr elitäre Menschen geben und ganz Viele, die haben fast gar nichts (empört). Vielleicht ist die Nennung von ganz normalen Namen aber schlicht zu normal, um überhaupt wahrgenommen zu werden, geschweige denn, dass man darüber eine Radiomeldung oder einen Zeitungsartikel verfasste.
Wie kamt ihr denn auf DEN Namen?
Was man an der Namensgebung ablesen kann, ist aber der unterschiedliche Medienkonsum der betreffenden namensgebenden Eltern. Während die einen offenbar ganz eifrig das Feuilleton der Zeit und den Spiegel lesen, und dabei in ihrer Berliner Altbauwohnung ihr Biofrühstücksei verspeisen und sich danach über den in ihren Zeitungen festgestellten Verfall der deutschen Sprache den Mund fusselig reden, um dann auf ihrem mit Regenwasser betriebenen Klo darüber nachzusinnen, ob die Deutschen tatsächlich ein neues Verhältnis zur eigenen nationalen Identität entwickeln (und das ganze auch noch im Ernst), dann reift in ihnen die Erkenntnis, dass man sich engagieren müsse, dass man die Welt zu gestalten habe usf., und sie suchen sich für ihr Kind den Namen Friedrich aus.
Nur ein paar Straßen weiter brutzeln in einer Pfanne goldgelbe Fischstäbchen und im Topf daneben blubbert das Kartoffelpüree, aber man kann das Blubbern nicht hören, weil im Fernsehen Punkt Zwölf im (!) RTL läuft und die schwangere Frau vor dem Herd schwitzt tüchtig, und plötzlich zieht sie ihre Hand von der Pfanne weg, weil ihr Fett darauf gespritzt ist und dann drückt sie ihre Zigarette im Aschenbecher aus und denkt: Ja! Cameron ist wirklich ein schöner Name!
Für die Mittelschicht bleibt da eigentlich nur der elegante Ausweg per Doppelname: Justin-Ludwig oder aber auch Heinrich-Tupac. Möglicherweise liegt eine Lösung aber auch in Übersteigerungsformen wie Kyler. Auch die Wahl besonders normaler Namen kommt natürlich immer noch ebenso in Frage, wie die Entscheidung angesichts der abgefreakten Typen, die sich derzeit in den Kindergärten breit machen, gänzlich auf die Zeugung von Kindern zu verzichten. Das spart zumindest die Suche nach einem Namen für den kleinen Racker, denn offenbar ist die Auswahl heutzutage ja unüberschaubar groß geworden.
Benz
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