Weihnachtsgeschenkberatung
Jedes Jahr gibt es Fragen, die wieder auf’s Neue beantwortet werden wollen: Am Silvesterabend „Dinner for one“ schauen, oder nicht? Wenn der Lottojackpot auf eine sagenhafte Summe angeschwollen ist, soll man dann nicht auch mal einen Schein spielen, und wenn ja: mit welchen Zahlen, im Zweifelsfalle also: lieber die Geburtstage der Meerschweinchen oder die der Kinder? Für viele wird aber auch die Frage „Was schenke ich meinen Eltern zum Weihnachtsfest?“ wieder akut.
Auf diese Frage hin, was jemandem schenken, der alles hat und womöglich sogar das Potential hat in Zukunft noch viel mehr zu haben, also rundum zufrieden ist bzw. sein könnte, ist guter Rat teuer. Die Zeiten, in denen noch schnell etwas gebastelt werden konnte oder ein Bild, das man mit Wachsmalstiften hinkritzelte, die Eltern zu Freudenausbrüchen reizte, sind passé. Bis auf einige wenige begabte Künstler und Fotografen sind die nachfolgenden Generationen für die Beglückung ihrer Vorfahren auf Geld angewiesen, oder vielmehr auf das, was man dafür kaufen kann.
Das führt naturgemäß zu der Frage: Wenn die Eltern das nötige Geld haben, warum haben sie sich das Produkt X nicht schon längst gekauft? Dann heißt es hoffen, dass die Gründe für die Nichtanschaffung des betreffenden Produktes darin zu suchen sind, dass die Eltern ganz einfach noch nichts von dem betreffenden Produkt gehört haben.
Ein anderes Szenario bietet die Situation, in der unter den Ehepartnern eine Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Produktbeschaffung besteht: Er will den neuen Akkuschrauber, sie ist der Meinung, der alte „tue es doch noch“, oder aber: Sie will in das Musical, er nicht. Dann kann man durch das Schenken des betreffenden Produkts (Schrauber/Eintrittskarte) die Konfliktsituation auflösen, bezahlt das überproportionale Wohlwollen des einen Elternteils dann allerdings mit der Ungnade des anderen. Solch ein Coup will also wohl überlegt sein: Falls am Monatsende das Geld nicht einmal mehr für Kartoffeln reicht; wen kann ich anpumpen: Mutti oder Vati?
Diese Vorüberlegungen sollten genügen, um die weitreichenden Konsequenzen einer solchen Schenkungsentscheidung zumindest anzudeuten. Im Folgenden soll eine Möglichkeit aufgezeigt werden, sich aus dem Schenkungsdilemma zu befreien (wenn nicht mittels eines Mordes, wie dann?!).
Mord à la carte
In dieser Ausgabe soll eine Lösung des Geschenkproblems für all diejenigen angeboten werden, deren Eltern in die Kategorie „Freunde des Krimis“ fallen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die betreffenden Personen Anhänger des Henning Mankell, Groschenromanheftchensammler und Mitglieder des Cluedo-Club-Castrop sind oder als Hilfssheriffs von Butz Peters bei „Aktenzeichen XY: ungelöst“ in Erscheinung treten. Voraussetzung für die Eignung als BeschenkteR ist lediglich eine Affinität zum Mord. Als einschränkender Faktor (mit Kriminalgeschichten setzen sich schließlich geschätzte 102% der Bundesbürger auseinander) kommt jedoch eine gewisse Fähigkeit in Sachen Tischmanieren zum Zuge.
Die Eltern, die diese Voraussetzungen noch erfüllen, kommen also für die Teilnahme an einem sogenannten „Krimidinner“ in Betracht. Hier werden zahlungswillige Gäste in einen Saal mit Schauspielern gesperrt, die einen Mord vorspielen. Dieser Mord ist dann von den Gästen zu verfolgen und am Ende sogar aufzuklären. Dabei werden die Gäste zu Tischen gruppiert, die jeweils eine „Ermittlungsgruppe“ bilden. Da man sich mit wildfremden Menschen an einem Tisch wiederfindet, sollten eben nur jene Eltern in Betracht gezogen werden, die über die Beherrschung der einschlägigen Techniken des korrekten Nahrungsmittelverzehrs verfügen, also in der Lage sind den richtigen Wein zu wählen, das Besteck von außen nach innen zu verwenden und den Hähnchenschenkel nicht mit den Fingern zwecks Abnagung an den Mund führen. Wer es sich leisten kann, den ganzen Saal für sich allein zu mieten, kann naturgemäß auch auf die Tischmanieren verzichten. Dann muss er allerdings in Kauf nehmen, von den Schauspielern den ganzen Abend in Beschlag genommen zu werden. Diese streifen zwischen den einzelnen Szenen durch das Publikum und streichen dicken Männern in schlechten Anzügen über die Glatze („Miss Alice“), keifen das Publikum zwecks Aufstellungsnahme für ein Gruppenfoto an („Mr. Schneider“) oder schreien so laut nach dem Essen, dass es in den Ohren schmerzt („James“- der Butler).
Im Normalfall werden sich die Übergriffe der Schauspieler aber gleichmäßig auf die ca. 50 Gäste verteilen, sodass man nur mit etwas Engagement oder dem falschen Sitzplatz in den Genuss kommt, eine der Komparsenrollen („Mr. Winterbottom“) in dem Krimistück übernehmen zu müssen.
Den Rahmen für die eigentliche Handlung bildet ein Silvesterabend in der Gesellschaft von Miss Sophie, die alljährlich ihre Gäste auf ihrem Landsitz zum Dinner empfängt. Wer aber jetzt silvestertypische Speisen erwartet, wird sich enttäuscht sehen: Statt Hechtsuppe und Karpfen gibt es eine Currysuppe und Fischpastete. Zwischen den einzelnen Gängen (vier an der Zahl) wird die Handlung vorangetrieben (sibirischer Tiger aus seinem Käfig aus etc.).
Den Höhepunkt des Abends bildet die Aufklärung des Mordes durch das Publikum. Jedes Ermittlungsteam wird dazu angehalten, seine Vermutungen über den tatsächlichen Hergang der Tat zu skizzieren und den Täter zu identifizieren. Das Schöne ist, dass diese Vermutungen größtenteils wahnwitzig und vom Überkonsum von Wein gezeichnet sind. Herrlich anzusehen, wie ein eifriger Hobbyermittler seinen Verdacht gegen einen gewissen Mr. Pommeroy (den schwulen Freund Miss Sophies) vorträgt und dabei von den Schauspielern in der Vermutung bestärkt wird, er hätte den Fall tatsächlich gelöst. Ganz Columbo wird der geheime Komplott vom Hobbyermittler, der sich dabei immer mehr in Rage redet, enthüllt und Mr. Pommeroy immer verdächtiger. Doch dann stellt sich heraus… Ein Teufel, wer dies verriete.
Fazit
Das Krimidinner eignet sich hervorragend für das Verschenken an die Eltern. Aber immer mitzubedenken beleibt, ob für beide Teile gleich geeignet (siehe Anmerkungen oben). Dabei ist die Veranstaltung mit einem Preis von 59 Euro pro Person durchaus teurer als alle Wachsmalbildchen der Welt zusammen, doch die Pluspunkte, die ein solches Dinner auf das Gunstkonto bei den Eltern schwemmt, sind durchaus nicht zu verachten, ansonsten eben: same procedure as every year…
Wir empfehlen das Krimidinner als Weihnachtsgeschenk uneingeschränkt!
Benz/jbö
Location: Forsthaus Bochum,
Blankensteiner Str. 147
Nächster Termin: 15. Januar 2007
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