25% weniger Studierende
Die nordrhein-westfälische Landesregierung will laut dem Hochschulpakt mit dem Bund bis 2010 26.000 Studierende mehr an die Universitäten bringen. Die Einführung von Studiengebühren bewirkt aber, dass sich viele Studierende exmatrikulieren oder gar nicht erst einschreiben. Schon jetzt sind die Studierendenzahlen an einigen Hochschulen in NRW um bis zu 25 Prozent zurückgegangen.

An der Uni Köln haben sich zum Sommersemester 5000 Studierende weniger immatrikuliert, an der Uni Bonn ist die Zahl um 15 Prozent zurückgegangen, an der Uni Dortmund um 20 Prozent und in Duisburg-Essen 25 Prozent. Da viele Studiengänge nur zum Wintersemster beginnen, schreiben sich zum Sommersemester immer weniger Leute ein. Dass der Rückgang der Studierendenzahlen etwas mit den Gebühren zun tun hat, zeigen zum Beispiel die Zahlen der Uniwechsler und Beurlaubten. An der Uni Frankfurt etwa: dort sind in diesem Semester nur 850, im Vergleich zu 1.700 vor einem Jahr, gewechselt. Die Zahl der Beurlaubungen ist gleichzeitig auf das Doppelte angestiegen.
Vor allem StudentInnen aus ärmeren Familien werden von den Gebühren abgeschreckt. Schon jetzt kommt nur jedeR 6. Studierende aus sogenannten bildungsfernen Schichten, und diese Tendenz wird sich jetzt verstärken. Studierende, die sich ihren Lebensunterhalt teilweise selbst verdienen müssen, haben weniger Zeit für das Studium. Wenn sie pro Semester bis zu 500 Euro zahlen sollen, müssen sie mehr arbeiten. Die Einführung der Langzeitstudiengebühren vor drei Jahren hat schon gezeigt, dass sich das viele nicht leisten können. Insgesamt 60.000 Studierende haben damals die Hochschulen verlassen.
Für AbiturientInnen steigt durch die Studiengebühren die Hemmschwelle, sich an einer Hochschule einzuschreiben. Viele überlegen sich, stattdessen eine Ausbildung zu machen. Dadurch machen sie jedoch den Haupt – und Realschülern Konkurrenz, für die allein es schon zuwenig Ausbildungsplätze gibt. „Knapp 60.000 arbeitslose Jugendliche unter 25 Jahren haben keine Ausbildung“, sagt Michael Hermund, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes im mittleren Ruhrgebiet. „Durch die Einführung von Studiengebühren erhöht sich der Druck zusätzlich, weil viele Jugendliche nach einer Alternative zum Studium Ausschau halten.“
„Es wurde auch bislang nirgendwo ein überzeugendes Konzept vorgelegt, wie Studiengebühren die Lehre an den Universitäten verbessern sollen. Stattdessen wird immer wieder nur deutlich, dass Studiengebühren die Landeskassen entlasten und sich die überfüllten Hörsäle leeren“, meint Sascha Decristan vom AStA der TU Darmstadt. Denn die Landesregierungen sind durch das föderalistische Bildungssystem dafür verantwortlich, die Hochschulen zu finanzieren. Durch die Gebühren wird die Finanzierung teilweise auf die Studierenden abgewälzt – das Land überweist einfach weniger Geld an die Unis. Eine deutliche Verbesserung der Lehre wird dadurch unmöglich, weil das Geld nicht zusätzlich verwendet werden kann.

Was tun?

„Wir fordern die Landesregierung in Hessen auf, endlich die Verantwortung für ihre verfehlte Bildungspolitik zu übernehmen, geschlossen zurückzutreten“, sagt Sascha Decristan. Das werden die Landesregierungen aber nicht tun. Deshalb müssen die Studierenden selbst genug Druck aufbauen. Dazu gibt es verschiedene Mittel. In Hessen klagen Studierende gegen die Einführung der Gebühren, weil in der Landesverfassung das Recht auf freie Bildung verankert ist. In Nordrhein-Westfalen haben wir diese Möglichkeit zwar nicht. Allerdings können wir Widerspruch gegen die Gebühren einreichen – und uns am Aufbau einer dringend notwendigen bundesweiten Studierendenbewegung gegen die Gebühren und den neoliberalen Umbau der Hochschulen beteiligen.
sjn

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