Linke Studierende gründen Hochschulverband
Am letzten Wochenende trafen sich mehr als 500 Studierende aus bundesweit 40 Hochschulen in Frankfurt am Main beim get up, stand up-Kongress. Sie diskutierten drei Tage lang über den neoliberalen Umbau der Hochschulen, die anstehenden Proteste gegen das G8-Treffen in Heiligendamm, kritische Wissenschaft und vieles andere – im Vordergrund stand aber die Gründung des neuen linken Hochschulverbands in diesem Jahr. Viele erhoffen sich davon einen wiederbelebten SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund), der während der 68er-Proteste eine tragende Rolle spielte.
Die Universitäten werden bundesweit zu Unternehmen umgebaut, an denen die Studierenden als Kunden verstanden werden. Das ist zumindest der Plan der großen Koalition und der Landesregierungen, welche die Kosten für das Bildungssystem auf die StudentInnen abwälzen wollen und kritische Wissenschaft systematisch (!) aus den Unis verbannen. Gegen diese Veränderungen wehren sich bundesweit Studierende, zum Beispiel durch Proteste gegen Studiengebühren. Große und erfolgreiche Aktionen wie die Proteste in Hessen bleiben aber oft in einzelnen Bundesländern isoliert, weil die Bildungspolitik Sache der Landesregierungen ist. Um Aktionen besser zu vernetzen, haben Studierende aus verschiedenen Bundesländern im letzten Herbst die Idee eines Hochschulverbands diskutiert und eine Gründung beschlossen. Dazu haben sich Programm– und Satzungsgruppen gebildet, die den Rahmen des Verbands diskutiert haben und ihre Vorschläge den Interessierten im Rahmen des Kongresses vorstellten.
Verhältnisse zum Tanzen bringen
Der Verband wird an den Jugendverband der Linkspartei.WASG angebunden sein, wird aber für Nichtparteimitglieder offen stehen. „Zu Beginn dieses Jahres waren im Netzwerk hauptsächlich PDS-Hochschulgruppen aktiv.“, sagt Luigi Wolf von der linken Hochschulgruppe an der FU Berlin. “ Inzwischen sind neue Gruppen und viele Aktive gekommen. Ehemalige Jusos, Jungdemokraten, trotzkistische Linke, ATTAC- und WASG-Mitglieder sowie viele bisher nicht politisch Organisierte. Diese Mischung kann die Dynamik eines neuen Hochschulverbandes ausmachen.“ Für den Verband ist es enorm wichtig, mit den sozialen Bewegungen gemeinsam zu arbeiten. Denn eine weitere Kaderschmiede für die spätere Parteikarriere soll der Hochschulverband nicht werden, wie einige KongressteilnehmerInnen befürchteten. Aber die Universitäten sind kein von der Gesellschaft abgekoppelter Raum, deshalb soll die Anbindung an die Partei den Bezug auf gesellschaftliche Auseinandersetzungen befördern.
„Wir beziehen uns in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen positiv auf die Partei. Wir wollen die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Tanzen bringen. Die neue Linkspartei wird dabei eine wichtige Rolle spielen. Deshalb ist es richtig, dass der Hochschulverband in der Bundessatzung der neuen Partei erwähnt und ein transparentes und beständiges Verhältnis zur Partei festgeschrieben wird“, erklärt Luigi Wolf. Im Vorfeld des Kongresses wurde darüber debattiert, ob neben dem freien zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) ein weiterer Verband gebraucht wird. Nele Hirsch, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion und früher Vorstandsmitglied des fzs, erklärte dazu in Frankfurt: „Der fzs ist in letzter Zeit auch immer häufiger Sprachrohr von konservativen Gruppen. Durch den rasanten neoliberalen Umbau der Hochschulen brauchen wir eine linke Kraft, die sich eindeutig positioniert.“
Aufbruchstimmung in der Linken
Im Frühjahr wird der Verband gegründet. Der Hochschulkongress war ein guter Auftakt für den Gründungsprozess. Wissenschaftler wie Elmar Altvater, Alex Demirovic und Frank Deppe, linke Gewerkschafter und Politiker wie Oskar Lafontaine und Katja Kipping haben gemeinsam mit den Studierenden Perspektiven für die politische Arbeit des Verbands diskutiert. Wichtig wird im ersten Halbjahr 2007 vor allem der G8-Gipfel im Juni, zu dem der Hochschulverband breit mobilisieren wird, aber auch die Unterstützung des Gebührenboykotts und weitere Proteste gegen die Studiengebühren. Das nächste Mal werden sich die Aktiven Anfang Februar in Bonn treffen, um über das Programm, die Satzung und einen Übergangsvorstand des Verbands zu entscheiden.
sjn
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