Wenn Du gerade auf eine Autobahn auffährst, solltest Du definitiv das Radio ausstellen – insbesondere, wenn Du 1LIVE-HörerIn bist. Denn ansonsten könnte es sein, dass das Wort MAGGIKALYPSE das letzte ist, was noch in den Ohren klingelt und sich in der nächsten Sekunde mit einem schrillen Bremsschrei vermengt, gefolgt von einem dumpfen Knall, der sämtliche Erinnerungen tilgt. Wenn Du Glück hast – oder je nach Verletzungsgrad eben auch Pech –, wachst Du im Bergmannsheil noch einmal auf und wirst geweckt von wuselnden Krankenschwestern und dem WDR-Bericht vom Tage: Ein Brand in einer Chemiefabrik war es also, der die Metropole für Stunden in ein süßliches Duftgewand aus Liebstöckel – auch bekannt als Maggikraut – getaucht hat. Einen ganzen Dienstag lang wird die zahme Sau durchs mediale Dorf getrieben.

Die nächste Meldung dagegen ist nicht mehr als eine Randnotiz: Der Bürgerkrieg in Syrien geht munter weiter, und nach nunmehr zwei Jahren Scharmützeln auf Kosten der Zivilbevölkerung sei weiterhin unklar, welche der Kriegsparteien auf die kranke Idee verfallen sei, die hochtoxische C-Waffe Sarin eingesetzt zu haben. Eingegipst bis zur Halskrause lauschst Du im Morphiumnebel den neusten Expertisen über den mutmaßlichen Super-GAU im nahöstlichen Kriegssumpf, der eine ganze Region in den Abgrund zu reißen droht, und murmelst halblaut im Medikamentenrausch: „Ich kann ja doch nichts ändern – jetzt erst recht nicht.“ Doch nur die Nachtschwester hört Dich und verabreicht Dir eine Extradosis. „Und – die Maggikalypse gut überstanden?“, hörst Du den Oberarzt auf dem Flur noch mit der Schwester flirten, während Du umnebelt wegdämmerst.

Bizarre Traumbilder durchflackern Dein unruhiges Wachkoma: Gigantische Liebstöckel-Plantagen gehen im Bombardement durch Assads Airforce in Flammen auf – Damaskus liegt unter einem undurchdringlichen Maggikraut-Dunstschleier. Doch die Wirkung ist frappant: Kaum haben die Waffenbrüder und -schwestern sämtlicher Kriegsparteien die süßlichen Dämpfe inhaliert, lassen sie kollektiv die Waffen fallen, streifen die Helme ab und atmen tief ein. Und dann plötzlich geschieht das Wunder, das die Welt seit dem Ende des Wiener Kongresses 1815 nicht mehr erlebt hat: Freund und Feind umarmen sich und beginnen zu tanzen!

Am nächsten Abend kommt Dir die zündende Idee: Als die Nachtschwester wieder neben Deinem Bett steht und mit den Hufen scharrt, um Dir die nächste Morphium-Dosis zu verabreichen, nimmst Du all‘ Deine Kraft zusammen und schreist ihr mit allen verbliebenen Leibeskräften ein deutlich vernehmbares NEIN entgegen. Statt der oberärztlich verordneten Droge lässt Du Dir das Zimmertelefon an den eingegipsten Hals halten und die Nummer von 1LIVE eintippen. Nach grenzdebilen Warteschleifen-Musikminuten hast Du Domian himself an der Strippe und verkündest mit letzter Stimme Deine Vision: Liebstöckelgefüllte Luftballons mögen flächendeckend über Syrien niedergehen und zeitgleich zerplatzen, um das Volk zu versöhnen. Zumindest Domian hört Dir väterlich-versöhnlich zu, bis Du Deine maggikalyptische Botschaft beendet hast und die Nachtschwester nach der Abmoderation schließlich das Gespräch per Knopfdruck beendet.

Keine Woche später zerplatzen 99.000 Liebstöckel-Luftballons über Syrien und das Volk tanzt. Das Bürgerkriegsende jedoch erlebst Du nicht mehr. Domian dagegen erhält 2014 den Friedensnobelpreis.