Bild: Erster Rektor der RUB: Kurt Biedenkopf erinnerte sich an seine Zeit zurück. , RUB-Pioniere blickten auf Bochums „68“ zurück Bild: bent

68er-Bewegung. Die Ruhr-Universität öffnete die ersten Vorlesungssäle, als der Ausbruchsgeist bereits nach Bochum schwappte. Der Verein Wir Gründerstudenten erinnerte vergangen Freitag mit Zeitzeug*innen wie Kurt Biedenkopf an diese rebellische Zeit.

Das Schreckgespenst von Kaiser Wilhelm II. geisterte noch auf dieser Baustelle herum. Kasernen und Hochschulen im Ruhrgebiet? Dem Monarchen graute davor. Doch mit der Ruhr-Universität wurde schließlich nicht nur die erste Hochschule der jungen Bundesrepublik aus dem Boden gestampft, sondern auch die erste im Ruhrgebiet.
Und die ersten Semester an diesem neuen Campus fielen prompt mit der ersten Welle der 68er-Bewegung zusammen. Die Studierendenrevolte hatte ihre Zentren zwar in Berlin oder Frankfurt, doch auch in Bochum begehrten die Kommiliton*innen gegen die verkrusteten Verhältnisse und die verdrängte NS-Vergangenheit auf. Der Verein Wir Gründerstudenten blickte daher vergangenen Freitag im rappelvollen Veranstaltungssaal in der St. Martinskirche mit den Gefährt*innen von einst auf diese Zeit von 1966 bis 1969 zurück.
Auf dem Podium saßen der AStA-Vorsitzende von 1967 Christoph Zöpel, der damalige Soziologie-Lehrstuhl-Inhaber Urs Jaeggi sowie Kurt Biedenkopf, der die Aufbruchszeit ab 1967 als Rektor der RUB miterlebte: „Die ‚68er‘ hatten guten Grund, unruhig und aggressiv zu sein“, blickt Biedenkopf auf die gesellschaftliche Stimmung zurück. Von ihren Eltern haben sie nichts erfahren, weswegen der Christdemokrat dafür Verständnis fand: „Sie haben versucht, das radikal aufzubrechen und das ist ihnen gelungen.“ Als Rektor kam er den Forderungen der unzufriedenen Studierenden entgegen, wie sich der spätere erste Ministerpräsident Sachsens an diesem Abend erinnerte: Für Diskussionen und Seminare wurden Räume angeboten.
 

Am Anfang war die Baustelle

Zusammen kamen an den Betonbauten Zugereiste als auch Absolvent*innen aus der Arbeiter*innenklasse, wie sich der Soziologe Jaeggi, selbst aus einer sozialdemokratischen Familie, an diesem Abend erinnert: „Es hat mich gefreut, dass so viele, wie ich selbst, über den zweiten Bildungsweg hierhin gelangt sind.“
Anreisen an die Pendleruni waren Mitte der 60er Jahre oft noch strapaziös: Wer seinen Wagen nicht im Schlamm parkte, wartete 20 Minuten auf den nächsten Bus. Selbstverwaltungsstrukturen fehlten genauso. Christoph Zöpel war als AStA-Vorsitzender an der Gründung eines Studentenwerks beteiligt, das Anlaufpunkt für soziale Angelegenheit war. Das Projekt habe schließlich den ersten institutionellen Konflikt an der RUB nach sich gezogen: Das akademische Förderungswerk (Akafö) wurde als Antwort darauf gegründet und existiert bis heute. Auch die Satzung der RUB wurde nicht auf Anhieb durchgesetzt, wie sich Zöpel erinnert: „Sie wurde die demokratischste Universität Deutschlands.“
Rebellion blieb in Bochum jedoch nicht aus, spätestens als Benno Ohnesorg und Rudi Dutschke Attentaten zum Opfer fielen. Ein Journalist hakte beim AStA-Vorsitzenden nach: Berliner Verhältnisse in Querenburg? Zöpel konterte: „Ich antwortete, ich sei strikt dagegen, dass Studenten erschossen werden.“ Aber der Sozialdemokrat drängte wie viele seiner Kommiliton*innen auf eine Abschaffung vieler Eckpfeiler der Bildungsinstitution: NC, Zwischenprüfungen, Zwangsexmatrikulation. „Bologna hat es auch nicht so gemacht, wie ich es damals wollte“, so Zöpel. „Die Studenten sind sehr höflich geworden.“

:Benjamin Trilling

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