Bild: Es sollte nur ein friedlicher Protest werden: An der Uni Bielefeld eskalierte ein Vortrag. , Vortrag eskaliert aufgrund der politischen Positionen des Referenten Bild: Wikimedia Commons Andy1982

Bielefeld. Am 21. November sollte an der Uni Bielefeld ein Vortrag über Geflüchtete in der Türkei stattfinden. Zwischen Protestierenden und VeranstalterInnen kam es zu Handgreiflichkeiten. Der Staatsschutz Bielefeld ermittelt, die Uni spricht von Konsequenzen.

Das Thema des Abends gerät im Rahmen der Ereignisse in Vergessenheit: Dr. Sezer Öczan, Sozialwissenschaftler und ehemaliger Promovend der Universität Bielefeld, sollte über die Situation von SyrerInnen in der Türkei sprechen. Eingeladen wurde der Wissenschaftler, der selbst kurdischer Abstammung ist, von der Hochschulgruppe KulTürk (Kulturvereinigung türkischsprachiger Studierender). Diese steht selbst in der Kritik, Erdoğan-nah und nationalistisch zu sein, was sie von sich weisen.

Im Rahmen der Veranstaltung kam es nach friedlichen Protesten zu Handgreiflichkeiten vor Ort. Diese konnten erst nach Eintreffen der Polizei beendet werden. Unklar ist, wie viele Menschen vor Ort gewesen sind. Niemand ist verletzt worden. Da mutmaßlich Parolen der in Deutschland als Terrorgruppe eingestuften PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) skandiert worden seien, ermittelt der Staatsschutz in Bielefeld. 

Security war vor Ort

Da schon im Vorfeld der fraglichen Veranstaltung Kritik geäußert wurde, entschieden sich die VeranstalterInnen von KulTürk dazu, Sicherheitspersonal der Universität hinzuzuziehen. Am Abend betraten mehrere Protestierende den Hörsaal, zum Teil mit Transparenten. Man habe das Ziel gehabt, „die Veranstaltung kurzzeitig zu stören und den Referenten mit seinen antisemitischen Positionen zu konfrontieren“, erklären LSG (Liste Solidarität Grenzenlos) und AG Sol-I (AG Solidarität International), die vor Ort gewesen sind. Das Sicherheitspersonal habe die Protestierenden aus dem Hörsaal verweisen wollen, was misslang. Es kam zu verbalen, schließlich körperlichen Tätlichkeiten. Protestierende beklagen, dass ihnen „mehrfach gegen den Kopf geschlagen“ wurde. In ihrer Stellungnahme bedauern die VeranstalterInnen die Vorkommnisse: „Unabhängig von den Ursachen können und dürfen derartige Szenen nicht toleriert werden.“ Unklar ist, wie viele Menschen vor Ort gewesen sind. 

Causa Öczan

Der Referent Öczan habe auf seiner Facebook-Seite einen antisemitischen Post verbreitet. Er habe den türkischen Schriftsteller Necip Fazıl Kısakürek zitiert. Dieser wird von AKP-Mitgliedern – auch von Präsident Recep Tayyip Erdoğan – für seine politischen Theorien rezipiert. Schon im Vorfeld haben die LSG und AG Sol-l über den Referenten aufklären wollen. In ihrer Stellungnahme vom 24. November antwortete KulTürk: „Wir waren uns zum Zeitpunkt der Einladung des Referenten nicht über seine Zitation bewusst, weshalb uns der Fund und die Reaktionen überraschten.“ Gleichzeitig werde aber darauf verwiesen, dass es nicht ihre Aufgabe sei, die politische Gesinnung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters der Uni zu recherchieren. Diese wusste von dem Posting, sehe aber laut Pressesprecher Ingo Lohuis von einer „Bewertung von Meinung“ ab. Allerdings: „Sollte der Post strafrechtlich relevant sein, muss die Polizei ermitteln.“

Das Rektorat der Universität verurteilt „jedwede Gewalt“ und prüft nun mögliche Konsequenzen, die aus den Vorfällen gezogen werden könnten. 

:Andrea Lorenz

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