Bild: Zivilcourage: Elin Ersson steht für ein Menschenleben ein. , Studentin verhinderte Abschiebung Bild: Youtube youtube.com/watch?v=DHz4ZGgO53U, Bearbeitung: kac

Über zwei Stunden harrt Elin Ersson aus, um den Start des Fliegers von Göteborg nach Istanbul zu stoppen. Denn im Flugzeug sitzt ein Afghane, dessen Asylantrag abgelehnt wurde. Er soll zurück nach Kabul. Doch sobald Passagier*innen nicht Platz nehmen, dürfen Pilot*innen nicht abheben. Mit dem Smartphone filmt die Studentin sich selbst. „Alles, was ich will, ist diese Abschiebung zu verhindern“, sagt sie in die Kamera. Sie wird bedrängt, erst vom Flugzeugpersonal, dann von ungeduldigen Passagier*innen. Ersson konterte: „Was ist Dir wichtiger? Sein Leben oder deine Zeit?“ Schließlich applaudiert eine Fußballmannschaft und sie bricht in Tränen aus. Am Ende darf der Afghane aussteigen, die Abschiebung ist gestoppt. Vorerst.

Die mutige Aktion der Schwedin Elin Ersson ging durch alle Medien. Doch wie hoch ist die Chance, eine Abschiebung dadurch zu verhindern? „Das ist ein Zeichen von Zivilcourage“, sagt Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW. „Für die Betroffenen ändert das erst mal nichts an ihrer rechtlichen Situation.“ Oft werden sie einfach von den Behörden in den nächsten Flieger gesetzt. 

Generell sei die Wahrscheinlichkeit nicht so groß, dass mit dem Urlaubsflug zugleich Menschen abgeschoben werden: Denn von den bundesweit 23.500 Abschiebungen im Jahr wird rund die Hälfte als Sammelabschiebung durchgesetzt, etwa in den Westbalkan. Die andere Hälfte betrifft in erster Linie Abschiebungen in EU-Länder.   

Asylrechtliche Situation verschärft

Doch gerade hier ergibt sich Spielraum, den betroffenen Menschen zu helfen. Denn nach der Dublin-Verordnung muss die Abschiebung in die Herkunftsländer innerhalb von sechs Monaten erfolgen. Angenommen, ein Mensch, dem das Asylrecht verwehrt wurde, wird auf deutschem Boden erst nach etwa fünfeinhalb Monaten in den Flieger gesetzt, dann könnte eine solche Aktion wie von Ersson Zeit schinden. Nach Ablauf der sechsmonatigen Frist wäre Deutschland asylrechtlich für den Fall zuständig. 

Die Entscheidung liegt bei den Pilot*innen: Sobald Passagier*innen sich weigern, Platz zu nehmen, ist die Sicherheit gefährdet. „Der Pilot kann dann sagen, ich fliege nicht“, so Naujoks. Insgesamt sei es aber schwieriger geworden, Betroffenen zu helfen. Ihr Tipp: „Den Rechtsweg komplett ausschöpfen.“

Doch auch hier werde es eng. So dürfen Abschiebungen seit Oktober 2015 nicht mehr angekündigt werden. „Manchmal werden Termine von Sammelabschiebungen jedoch bekannt“, erklärt Naujoks. Widerstand kann in diesem Fall gelingen, wie eine Aktion im baden-württembergischen Ellwangen bewies. Eine Gruppe hat sich vor dem Wohnort versammelt. Die Polizei schritt nicht ein. Auch die Residenzpflicht in Flüchtlingsunterkünften macht es Betroffenen schwierig, einer Abschiebung zu entgehen. Ein Schlupfloch gibt es trotzdem: Denn gesetzlich ist es abgelehnten Asylbewerber*innen nicht verboten, woanders zu übernachten. 

Insgesamt habe sich die asylrechtliche Situation verschärft, wie Naujoks festhält: „Der Abschiebedruck steigt und das merkt man an der Art und Weise, wie das umgesetzt wird.“ So werden aktuell kranke Menschen direkt aus der Psychiatrie in den Flieger gesetzt. „Früher wurde die Entscheidung der Härtefallkommission noch abgewartet“, beklagt die Juristin. 

:Benjamin Trilling

 

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