Bild: Akzeptiert nur die Ehe zwischen Mann und Frau: Die „Demo für alle“., Essay: In Stuttgart wurde gegen Homo-Ehe und Gleichstellung demonstriert Foto: Demo für alle (CC BY 2.0)

Die Gleichberechtigung von Homosexuellen setzt sich in Westeuropa und den USA immer weiter durch. Während der Großteil der Bevölkerung die gleichgeschlechtliche Ehe begrüßt oder zumindest akzeptiert, mobilisieren konservative und christlich-fundamentalistische Kräfte öffentlichkeitswirksam dagegen. So demonstrierten am 21. Juni in Stuttgart 4.600 Menschen gegen die Homo-Ehe. Doch weit über die Ehe-Definition hinausgehend, hat sich in jenem Milieu ein irrationales Feindbild verfestigt, das um den Begriff Gender kreist.

Das Vorbild des Spuks kommt aus Frankreich: Als es dort um die „Ehe für alle“ ging, entstand als Gegenreaktion die katholisch geprägte Bewegung La Manif pour tous („Die Demo für alle“). Jene organisierte 2013 in Paris gegen die Homo-Ehe mehrere Demonstrationen mit hunderttausenden Teilnehmenden. 2014 kam es dann in Baden-Württembergs Landeshauptstadt Stuttgart zu kleineren bürgerlich-konservativen Protesten anlässlich des schulischen Bildungsplans für 2015. Auslöser war die darin vorgesehene Vermittlung von Akzeptanz bezüglich homosexueller und transsexueller Lebensweisen.

Antifeminismus gegen Gleichstellung

Die deutschen Demonstrationen übernahmen aus Frankreich den Namen „Demo für alle“, die rosa-blaue Farbgebung (für weiblich und männlich) und als Symbol eine stilisierte Familie mit Vater, Mutter, Sohn und Tochter. Es ging in Stuttgart von Anfang an nicht nur gegen die gesellschaftliche Akzeptanz und Gleichberechtigung von LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender), sondern auch gegen zeitgemäße Sexualpädagogik und die Gleichstellung der Geschlechter.

Dabei wird reichlich Demagogie betrieben: Als abzuwehrendes Übel gilt die „Gender-Ideologie und Sexualisierung unserer Kinder“, gesteuert durch „Lobbygruppen und Ideologen“, welche „die Abschaffung der natürlichen Geschlechter durch das Gender Mainstreaming und die Zerstörung der Familie“ anstrebten. Solche Formulierungen sind keine Überraschung, angesichts der umtriebigen Antifeministinnen, die bei der „Demo für alle“ abwechselnd mitmischen: Die offen christlich-fundamentalistisch auftretende Publizistin Gabriele Kuby, die wesentlich geschickter agierende Publizistin Birgit Kelle, die AfD-Europaabgeordnete und „Lebensschutz“-Aktivistin Beatrix von Storch sowie die in der CDU aktive Hedwig von Beverfoerde.

Kuby und Kelle sind im deutschsprachigen Raum die wichtigsten Stichwortgeberinnen für (rechts)konservative Anti-Gender-Agitation. Und Gabriele Kuby warnt seit langem auch vor Harry Potter – als einem manipulativen „globalen Langzeitprojekt“, um bei der Jugend „das Unterscheidungsvermögen zwischen Gut und Böse“ zu zerstören.

Ein konservatives Biotop

Mit 4.600 Teilnehmenden hat die „Demo für alle“ nun ihren bisherigen Höchststand erreicht. Angereiste Lokalpolitiker von CDU, CSU und AfD hielten dort Reden. Zwei CDU-Bundestagsabgeordnete und ein katholischer Weihbischof schickten Grußworte. Der deutsche Konservatismus hat vorerst eine Bühne etabliert.

Im vergangenen Jahr war der Bildungsplan wegen der Proteste auf 2016 verschoben worden. Dadurch wird er sicher ein Thema bei der Landtagswahl werden. Möge die CDU als Partei auch weiterhin davor zurückschrecken, sich gegen Rot-Grün – und in Konkurrenz zur AfD – dem konservativen Anti-Gender-Wahn anzuschließen.

:Gastautor Patrick Henkelmann

 

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