Bild: Es wird schöner, wenn es dunkel wird

Kommentar. Bochum ist eine Leidensgemeinschaft, eingeengt im Brutalismus vergangener Bausünden.

Liebe zugezogene Erstis,
nach Bochum zu ziehen fühlt sich bestimmt nicht so prickelnd an, wie zum Beispiel nach Berlin oder Hamburg, vor allem wenn man vorher in jeder anderen Region als dem Pott gewohnt hat. Mein erstes Mal Bochum war auf jeden Fall nicht, wie ich es mir vorgestellt hatte – also eigentlich wie alle ersten Male, wenn Du verstehst, was ich meine. Es ist irgendwie alles sehr grau und an der einen oder anderen Ecke auch ziemlich abgegammelt. Hier und da mal ein neongrüner Vape-Laden und andere farbliche Missgeschicke. Schön ist anders.

Doch dann gehst Du auf die Straße, läuft ein bisschen rum und nimmt die Stadt in sich auf. Plötzlich merkst Du: Irgendwas in der Luft prickelt. Du gehst das erste Mal in eine Trinkhalle und hast das Gefühl Du kennst die drei Alkis, die davor stehen, schon seit Ewigkeiten. Alle grüßen dich und fragen, wie es dir geht. Du kaufst dir ein Bier, vielleicht sogar ’ne Packung Kippen oder Drehzeug, läufst die Straße runter und merkst, wie langsam die Sonne untergeht. Die grauen Häuserfassaden verstecken sich immer mehr in der Dunkelheit. Die ersten Neonlichter erleuchten die Nacht in Rot- und Blautönen.
Du bist so langsam bei deinem dritten Bier und plötzlich fällt dir auf, wie die tausend Schilder und Neonschriftzüge sich auf der nassen Straße spiegeln. Was ein Instagram Bild.
Wild entschlossen diesen Moment festzuhalten, kniest Du dich auf den Boden und möchtest dieses, aus Natur und Industrie geschaffene Kunstwerk, festhalten. Bier Nummer vier und der ein oder andere Kümmerling von Olli haben eine anziehende Wirkung auf dich. Du fällst auf den nassen Boden und guckst in den sternenlosen Himmel. Links kotzt jemand gegen die Mülltonen, rechts pinkelt jemand gegen eine Wand, irgendwo hörst du Jugendliche, die Elektroscooter zerschmettern, laut lachen, während ein alter Mann schreit: „SEID IHR DES WAHNSINNS, ICH RUF GLEICH DIE BULLEN!!“ und Du merkst, dass ist deine neue Heimat. Irgendwie dann doch ganz schön. Ruhrpottromantik eben.

In Gedanken an Dich,
dein Gerit <3

:Gerit Höller
 

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