Bild: Gelbwesten in Frankreich: Nicht nur hier hat sich durch fehlende Abgrenzung der Antisemitismus breit gemacht., Grabschändung in Frankreich Bild: Obier; https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:ManifGiletsJaunesVesoul_17nov2018_(cropped).jpg; https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de

Kommentar. Angriffe auf Juden und Jüdinnen* nehmen in ganz Europa zu. Als gesamtgesellschaftliches Problem kann dem nur mit Selbstkritik und dem Blick in die eigenen Reihen entgegnet werden.

 In Frankreich wurden vergangenen Dienstag 80 Gräber auf einem jüdischen Friedhof im elsässischen Quatzenheim mit Hakenkreuzen beschmiert. Es ist ein weiterer Vorfall in einer Anhäufung von jüngsten antisemitischen Übergriffen in Frankreich und ganz Europa. Erst kurz zuvor wurde der französische Philosoph Alain Finkielkraut am Rande einer Gelbwesten-Demonstration als „dreckiger Zionist“ beschimpft. Im vergangenen Jahr nahm die Anzahl antisemitischer Übergriffe in Frankreich um 74 Prozent auf 541 Vorfälle zu. In Deutschland nahmen antisemitische Straftaten von 1.504 im Jahr 2017 auf 1.646 im Jahr 2018 zu. In Frankreich, wo sich die größte jüdische Gemeinde in Westeuropa befindet, führte dies dazu, dass in den vergangenen Jahren tausende französische Juden und Jüdinnen* nach Israel immigrierten. Nach den Grabschändungen rief auch der israelische Einwanderungsminister Joav Gallant Frankreichs Juden und Jüdinnen* dazu auf, nach Israel zu kommen.

Gelbwesten

Die antisemitischen Muster in der Gelbwesten-Bewegung sind mittlerweile Gewohnheit. Oft finden sich klassische Stereotype über die Macht von Juden und Jüdinnen* in der Welt oder antisemitische Verschwörungstheorien in den Reihen der Proteste. Während die Gelbwesten-Bewegung in Deutschland bereits von Beginn an größtenteils neonazistisch beeinflusst war, sind die Proteste in Frankreich durch unterschiedliche Strömungen geprägt. Dennoch schafften auch sie es nicht, sich von antisemitischen Ressentiments abzugrenzen, wodurch diese in der gemischt-bürgerlichen Protestbewegung Hand und Fuß fassen konnten.

Selbstreflektion

Was die aktuellen Vorfälle in Frankreich einmal mehr verdeutlichen, ist, dass Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist. Er kommt aus rechten und linken, als auch muslimischen Milieus. Dass es ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, macht ihn jedoch auch schwerer zu fassen und zu bekämpfen. Denn häufig ist es zu einfach, auf die Judenfeindlichkeit in anderen Bevölkerungsgruppen zu verweisen und die eigenen Hände damit reinzuwaschen. Als Beispiel dienen hier die Bekundigungen der AfD, für Juden und Jüdinnen* einzustehen, während die Partei Antisemit*innen ansonsten Türen und Tore offenhält. Schwieriger ist es, in den eigenen Reihen aufzuschreien, wenn sich antisemitische Ressentiments festsetzen – seien diese latent oder offenkundig. Dazu gehört vor allem im linken Spektrum auch die Reflektion von Israelkritik. Grundlegend stimmt es zwar, dass Kritik am Staat Israel nicht mit Antisemitismus gleichzusetzen ist. Doch wer für einen politischen Kampf, der soziale Gerechtigkeit bringen soll die Symbole, die mittlerweile von offenen Antisemit*innen eingenommen wurden, trägt ohne sie zu hinterfragen oder im Fall einiger Linker im Europaparlament, den Gründer der antisemitischen BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions) Omar Barghouti zu einer Konferenz einlädt, macht sich mitschuldig an der Salonfähigkeit der wieder erwachenden Judenfeindlichkeit.

:Stefan Moll

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