Bild: Der deutsche Film steckt in der Identitätskrise: Crowdfundingprojekte könnten helfen., Deutsche Filmförderung in der Praxis Foto: Fabian Mirko May
Wer in die Kinoneustarts der letzten Wochen schaut, stellt fest, dass deutsche Filme (bis auf den dokumentarischen Spielfilm Zwei Mütter) mal wieder schwach vertreten sind. Dass der deutsche Film als Kunstform in tiefer Identitätskrise steckt, ist unter ZuschauerInnen wie MedienwissenschaftlerInnen eine weit verbreitete Ansicht. Gerne wird als positives Gegenbeispiel Frankreich angeführt, wo der Film als Kunstform wesentlich etablierter sei. Woran liegt es, dass jeder klare Vorstellungen hat, sobald von einem französischen oder skandinavischen Film die Rede ist, aber ein ganzes Seminar von MedienwissenschaftlerInnen an der RUB in peinliches Schweigen verfällt, wenn nach den Charakteristika des deutschen Films gefragt wird?
 
Einer der Gründe: die deutsche Filmförderpraxis. Diese verbessert sich aktuell nicht gerade. Neulich noch kündigte der Bayrische Rundfunk – in Person der BR-Fernsehdirektorin Bettina Reitz – an, er werde die Finanzierung von Kinofilmen zurückfahren; es würden künftig „definitiv nicht mehr Kinoprojekte, eher weniger – vielleicht sogar spürbar weniger“ unterstützt. Auf dem Anfang Juni abgehaltenen Medienforum NRW nahm Reitz die Kürzungsabsicht erneut in Schutz: Kinoproduktionen gehörten nicht zur Grundversorgung und mithin nicht unmittelbar zum öffentlich-rechtlichen Programmauftrag, und der Kinofilm sei im kulturellen Leben eben nur ein einzelner förderwürdiger Aspekt unter anderen wie Musik, Literatur und Theater.
Für die Zunft der Filmschaffenden musste da das Medienforums-Motto „Changing Media, Changing Society“ einen ganz anderen Klang annehmen als den optimistischen, den die AusrichterInnen wohl beabsichtigt hatten. „Ich weiß wirklich nicht, wovon Produzenten gerade leben, weil wir können gerade noch so plus-minus null existieren“, sagte Stefan Arndt von X-Filme am Rande des Forums dem WDR-Radio. X-Filme hat mit BR-Unterstützung starke Filme abseits des Mainstreams wie Das Leben der Anderen und Hanekes Das weiße Band produziert.

Ein Bochumer Beispiel

Noch schwerer ihre Filme finanziert kriegen – das sieht auch Arndt so – kleinere Firmen oder gar einzelne Filmschaffende. Einer davon ist Markus Pajtler (28). Der RUB-Student der Medienwissenschaft, dessen Kurzfilm A Damn Killer 2010 auf dem Reel Independent Film Festival für die beste Nebenrolle und auf dem Pariser ECU Film Festival mit dem Publikums­preis ausgezeichnet wurde, plant zur Zeit den 90-Minüter Shanzo, einen intertextuell augenzwinkernden Neo-Noir-Großstadt-Western, und hat im letzten Jahr mehrere Ochsentouren nach Berlin hinter sich.
Namhafte SchauspielerInnen wie Julia Dietze (Iron Sky), Udo Kier (Blade) und David Gant (Braveheart) hat der Filmemacher schon zum Mitmachen überzeugt; genügend GeldgeberInnen allerdings noch nicht. Einer, der passenderweise auf der Berliner Quentin-Tarantino-Allee sitzt, finde den durchaus Tarantino-nahen Genremix gut – finanzieren wolle er eine so unsichere Kiste aber lieber nicht, berichtet Pajtler von einem seiner Gespräche. Filmstiftung NRW und Medienboard Berlin-Brandenburg wünschten sich ihrerseits, er möge doch bitte einen Verleiher gefunden haben; Verleiher wiederum wüssten zunächst gerne die Förderung ihres Filmprojekts sichergestellt. Kafkas Schloß und das „Haus, das Verrückte macht“, lassen grüßen. Fast wäre das lustig, würden nicht so viele Dramen ambitionierter FilmemacherInnen dahinter stehen und dem/der ZuschauerIn so viele mutige Filmideen vorenthalten.

Antwort Graswurzelprinzip

Bei einem so pessimistischen Ausblick anzuhalten, wäre unbefriedigend. Was aber tun für Filmprojekte, die – mit der Polemik Stefan Arndts – „was Anständiges […] statt noch ´ner Polizistencomedy“ sein wollen? Am ehesten können ZuschauerInnen, die lieber Ersteres sehen, wohl mit dem guten alten Graswurzelprinzip Abhilfe schaffen. Pajtler etwa versucht gerade, die für Shanzo veranschlagten 15.555 Euro über die Crowdfunding-Seite startnext.de zusammenzukriegen. Die ersten zwei Monate haben ein Drittel davon eingebracht. Bis zum 7. Juli hat Pajtler noch Zeit, den Rest crowdzufunden. Falls das nicht klappt, heißt es danach wieder: Ochsentour.
 
Zum Gastautor:
Fabian May ist Masterstudent der Medien- und
Literaturwissenschaft an der Ruhr-Uni Bochum
und freier Mitarbeiter der WAZ.
 

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