Das Bochumer Ratsmitglied Sebastian Marquardt von der Alternative für Deutschland (AfD) attackierte Anfang Oktober öffentlich den Grünen-Politiker Karsten Finke mit einem Brief an die Leitung von dessen Partei. Die beiden gerieten schon vor ihrer gemeinsamen Ratstätigkeit in der Hochschulpolitik an der RUB aneinander. Jetzt greift die politische Offensive der rechts verorteten AfD auch in den Grenzbereich des Privaten.

„Heute vor 24 Jahren annektierte die BRD die DDR. Damit bildeten zwei konservative und reaktionäre Staaten ein noch größeres Deutschland. Heute wie damals: Nie wieder Deutschland!“, hieß es am Tag der deutschen Einheit auf der Facebook-Pinnwand von Karsten Finke, der als Ratsmitglied der Grünen die Politik in Bochum mitgestaltet. Sebastian Marquardt ging diese Äußerung zu weit und er schrieb prompt einen fordernden öffentlichen Brief an den Kreisvorstand der Grünen zu Finkes Eintrag: „Mit Erstaunen haben wir die heutige Äußerung ihres Partei- und Ratsmitglieds, Herr Karsten Finke, in einem Dialog auf der Kommunikationsplattform zur Kenntnis nehmen müssen. […] Gleichzeitig bitten wir um Mitteilung, ob und welche Maßnahmen Sie gegen Herrn Finke einleiten werden.“ Wesentliche Kritikpunkte des AfD-Politikers waren das Zeichnen eines deutschlandfeindlichen Bildes, das Verdrehen geschichtlicher Tatsachen und das Diskreditieren „unser[es] Land[es] und unserer Bürger“.

Polemik

Im Gespräch mit der :bsz ordnete Karsten Finke den Slogan „Nie wieder Deutschland“ ein in die gesellschaftskritischen Betrachtungen der deutschen Geschichte aus den achtziger und neunziger Jahren. Er betrachte diesen, wie das Wort „Slogan“ (Schlachtruf) schon andeutet, als polemischen Kommentar auf die gegenwärtige und damalige Position Deutschlands. Letztlich will Finke seine Äußerung mehr als „Nie wieder Auschwitz oder nie wieder Großdeutschland“ verstehen. Die Politik Deutschlands gehe seiner Meinung nach zu weit. Damals wie heute gehe Deutschland aggressiv gegen andere Staaten vor. Deutschland dominiere und diktiere Staaten, was sie zu tun hätten. Finke gibt zwar zu, dass „annektiert“ die falsche Wortwahl gewesen sei, weil die BürgerInnen der DDR den Beitritt gewollt hätten, aber „ohne eine wirkliche Wahl gehabt zu haben.“ Ähnlich „deutschlandfeindliche“ Kommentare mache er allerdings regelmäßig, also auch in Zukunft.

Frauen an die Front

Im Gespräch mit der :bsz äußerte sich Finke auch zur aktuellen Situation Deutschlands in der Welt. Deutschland solle eine „zurückhaltende“ Rolle einnehmen. Allerdings würde im Falle des IS der Pazifismus nicht mehr funktionieren, denn nicht einzugreifen sei auch nicht pazifistisch. „Man sollte die kurdischen Kämpferinnen ausbilden, weil der IS Angst vor diesen hat: ‚Wenn eine Frau mich erschießt, komme ich nicht ins Paradies.‘ Wieviel Angst müssen die also haben, wenn eine Horde von hunderttausend Frauen mit Waffen auf die zuläuft!?“

4 comments

  1. Grüner Klee

    „Horde von hunderttausend Frauen“ – Gehts noch?
    Liebe bsz, ich glaube kaum, was ich da aus dem Munde dieses Grünen Ratsherren Karsten Finke lesen muss: „Wieviel Angst müssen die also haben, wenn eine Horde von hunderttausend Frauen mit Waffen auf die zuläuft!?“ Wie kann das sein, dass jemand, der sich als Pazifist sieht, plötzlich hunderttausend Frauen bewaffnen und gegen rücksichtslose und verblendete Gotteskrieger in den Krieg schicken will? Ich kann nur schwer hoffen, dass es hier ein Missverständnis gab und Karsten Finke das so nicht gesagt hat. Auch die Formulierung „eine Horde von hunderttausend Frauen“ passt nicht recht zu einem Genderpolitiker wie Finke, der es schon Skandalös findet, wenn auf dem RUB-Studiausweis zwischen „Student“ und „Studentin“ unterschieden wird. Wie kann so jemand dann als Pazifist und Genderpolitiker, Frauen als „Horden“ bezeichnen und sie mit deutschen Waffen in einen Krieg hetzen wollen? Ich würde da doch sehr um eine richtigstellende Einordnung dieser Zitate von Herrn Finke bitten.

    1. Aussage von Karsten Finke

      Am Samstag, den 11. Oktober 2014, habe ich Karsten Finke interviewt. Sowohl die Aussage als auch die Wortwahl ist die von Karsten Finke.

      Richtigstellung Ihres Kommentars:

      Karsten Finke spricht nicht von "bewaffnen", sondern lediglich von "ausbilden".

      :Alexander Schneider

  2. Grünes Kleeblatt

    Betrifft sog. „Richtigstellung“ durch den Autor de Artikels
    Sehr geehrter Herr Schneider, dank für Ihre weitergehenden Ausführungen. Ich muss nun also davon ausgehen, dass Herr Finke biologische Geschlechtsmerkmale von Menschen (hier: Brüste und Scheide) ins Kalkül kriegerischer Politik als bio-kriegstechnologien einführen will. Erstmal bin ich da sprachlos. Ich würde nun noch gerne wissen, was Herr Finke, Ihrer Richtigstellung gemäß, denn mit „ausbilden“ anderes gemeint haben soll oder haben will, wenn dann im nächsten Satz von „Frauen mit Waffen“ die rede ist? Könnte es sein, dass sie Herrn Finke einfach am Telefon missverstanden habe? es ist doch vorstellbar, dass Herr Finke meinte, dass man „Horden von Frauen“ als Lokführerinnen ausbilden sollte. Die von ihm geforderte Vorstellung, dass „Horden von Frauen mit Waffen“ dann islamistische Männer umbringen, könnte ja auch als Kritik an der deutschen Waffenindustrie gelesen werden! In ihrem Artikel erscheint es aber so als würde Herr Finke sich „Horden von Frauen mit Waffen“ vorstellen. Ich bitte Sie, das richtig zu stellen! Herr Finke spricht lediglich davon, dass Frauen „ausgebildet werden“ sollen – Sie selber als Autor des Artikels haben ihm in den Mund gelegt, dass die „Horden von Frauen“ auch „Waffen“ führen sollten. Sie, Herr Schneider, wollen „Frauenhorden“ bewaffnen, nicht Herr Finke von den Grünen. Sie schieben das Zitat: “ wenn eine Horde von hunderttausend Frauen mit Waffen auf die zuläuft!?“ einfach Herrn Finke in die Schuhe. Wie sie selbst sagen: Herr Finke hat nichts von Waffen gesagt! Nur von „ausbilden“! Machen Sie sich da bitte mal ehrlich und schieben ihre Waffen-Phantasien da nicht Ihrem Interviewpartner unter…

    1. Konkretisierung

      Es war ein persönliches Gespräch.

      Seine Aussage bezog er auf die Grundlage des religiösen Fundamentalismus des IS. 

      Im persönlichen Gepräch distanzierte sich Herr Finke von Waffenlieferungen. Er bezog sich aber ausdrücklich positiv auf eine Ausbildung von Frauen und nannte dabei im Detail das taktische Training dieser.

      Es handelt sich um Karsten Finkes Aussage. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass ich im ersten Teil lediglich seine Äußerungen zum Pazifismus zur Sprache brachte und darauf ein Zitat folgt. Dadurch wird also seine Aussage wiedergegeben.

      Wenn Sie weitere Fragen zu seiner Meinung und Ansichten haben, dann müssen Sie ihn selbst befragen.

      Ich hoffe, dass ich Ihnen helfen konnte seine Aussage einzuordnen.

       

      Grüße und ein schönes Wochenende

       

      :Alexander Schneider

       

      Ergänzungen:

      1. Ich schrieb "Karsten Finke spricht nicht von "bewaffnen", sondern lediglich von "ausbilden"."

      Wenn man in diesem Fall von "bewaffnen/ausbilden" spricht, dann muss man die Perspektive des deutschen Staats einnehmen. Nach Finke soll dieser keine Waffen liefern, jedoch Frauen taktisch ausbilden.

      2. Der Begriff "Horde" ist nicht unbedingt negativ besetzt.

      3. Da Sie meine persönlichen Interessen hier mit reingezogen haben, äußere ich mich auch dazu:

      Ich habe kein Interesse daran, dass Frauen an die Front geschickt werden und auch keine endgültige Überzeugung zu diesem schwierigen und vielschichtigen Konflikt mit dem IS. Das Morden und Schänden von Frauen und Menschen im Allgemeinen halte ich für absolut grausam und furchtbar. Ich hoffe, dass dieser Konflikt so schnell wie nur irgend möglich ein Ende findet und dass so wenig Menschen darunter leiden müssen wie dies die Umstände zulassen.

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