Bild: Im Kreuzverhör: Dirk Loose wurde kritisch zu seiner Gesinnung befragt., Misstrauensvotum gegen StuPa-Sprecher Dirk Loose gescheitert Foto: dh

Lange, hitzige Diskussionen sind im 46. Studierendenparlament (StuPa) der Ruhr-Uni keine Seltenheit. Kontroverse Ansichten und verhärtete Fronten gibt’s dort wie in der „echten“ Politik. Einige Hochschulgruppen repräsentieren dabei reale Farben im parteipolitischen Spektrum, wie z. B. die Hochschulgruppe der Grünen oder die Juso-Hochschulgruppe. Andere Listen wiederum schreiben sich auf die Fahne, „pragmatische“ Hochschulpolitik zu betreiben, nicht von allgemeinpolitischen Denkweisen und Themen geprägt zu sein. So z. B. die AStA-tragende Liste der Naturwissenschaftler und Ingenieure (NAWI). Dieses Verständnis teilt auch StuPa-Sprecher Dirk Loose (NAWI), der sich im Bundestagswahlkampf für die umstrittene Alternative für Deutschland (AfD) engagiert hat. Auf der 9. StuPa-Sitzung am 1. Oktober haben oppositionelle ParlamentarierInnen ihr Misstrauen gegenüber den Gesinnungen des StuPa-Sprechers bekundet.

Neben den wichtigen Wahlen eines neuen Finanzreferenten und zwei neuer AStA-Vorstandsmitglieder wurde auf Antrag der Liste B.I.E.R. kurzfristig die „Wahl einer Studierendenparlamentssprecherin“ mit auf die Tagesordnung gesetzt, was als konstruktives Misstrauensvotum gegen Loose gelten sollte. Dem vorausgegangen war eine im Netz öffentlich einsehbare Mitteilung des Protestplenums Bochum (Zusammenschluss von AktivistInnen aus dem linken Spektrum), die in Wort und Bild dokumentiert, wie der StuPa-Sprecher AfD-Flyer in der Nähe eines Infostands der Partei am Kurt-Schumacher-Platz verteilt hat. SchülerInnen sollen Loose dort angesprochen und die Auskunft erhalten haben, dass er während des gesamten Wahlkampfs für die AfD aktiv gewesen sei. Über die Internetseiten oppositioneller Listen verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Dabei seien, so bemängelt Dirk Loose, seine zum Teil anonymen KritikerInnen zu keiner Zeit auf ihn zugekommen, um ihn persönlich mit den Vorwürfen zu konfrontieren. 

„Ich selber bin kein Mitglied“

Der StuPa-Sprecher dementiert: Lediglich habe er „am letzten Tag des Bundestagswahlkampfes 2013, am 21. September, Flyer für die Partei Alternative für Deutschland verteilt.“ Und: „Dies tat ich aus Solidarität mit Kollegen und Freunden, die bei dieser Partei aktiv sind (…). Ich selber bin kein Mitglied der AfD“, erklärt er weiter.

Ja, viele Kritikpunkte an der Partei teile er sogar, betonte Dirk Loose auch im Studierendenparlament. Vor Rücktrittsforderungen durch Protestplenum, Grüne Hochschulgruppe (GHG), B.I.E.R. und den Kreisverband Bochum der Partei Die Linke konnte ihn das nicht mehr schützen. Nicht zuletzt aufgrund Looses relativ dünner Begründung für die Flyer-Aktion wollte die Opposition vor dem Gang zur Urne gerne ausführlich über die Sache sprechen und bemängelte die fehlende Ernsthaftigkeit einiger ParlamentarierInnen. Besonders ernsthaft wirkte dabei aber auch ihr eigenes Vorgehen nicht: Die GHG z. B. richtete einen mehr als 30 Punkte umfassenden Fragenkatalog an den StuPa-Sprecher. Sie hinterfragten Looses Gesinnung in Bezug auf stark neoliberale, ausländerfeindliche und homophobe Tendenzen der Partei, die zum Teil aufs AfD-Wahlprogramm, zum Teil auf Aussagen einzelner AfD-PolitikerInnen oder AfD-nahestehender Personen zurückzuführen waren.

Schutz vor Hetze?

„Diese Diskussion gehört nicht ins Studierendenparlament“, entschied Loose allerdings, vertagte die unangenehmen Fragen auf „beim Bier nach der Sitzung“ und betonte, dass er seine Funktion als Sprecher durch die Flyer-Aktion in keiner Weise beeinträchtigt sehe. Wären die Fragen vor der Sitzung eingegangen, hätte er sie im Studierendenparlament beantwortet, sagte Loose.

In seiner Funktion als StuPa-Sprecher blieb Loose bis zum Ende der mehrstündigen Sitzung bei seiner klaren Auskunftsverweigerung zu allen AfD-Fragen. Obwohl die Opposition keine Gelegenheit ungenutzt ließ, das pikante Thema wieder und wieder ins Spiel zu bringen. Die Taktik des Sprechers ging auf. Auch weil sie von allen AStA-tragenden Listen unterstützt wurde. Dies geschah offenbar, um ungeachtet unterschiedlicher politischer Ansichten ein Mitglied aus den eigenen Reihen zu schützen – vor persönlicher Diffamierung, die sich im Vorfeld der Sitzung latent abgezeichnet hatte.

Aus Protest über diese Form der Kommunikationsverweigerung und aus Enttäuschung darüber, einen Sprecher, der mutmaßlich Ansichten der AfD teilt, im Parlament nicht konsensual abwählen zu können, zog Denise Welz (B.I.E.R.) ihre Kandidatur als Nachfolgerin für Looses Amt zurück. Darauf übernahm Laura Schlegel: „Ich sehe es als meine Verantwortung an, dem StuPa die Möglichkeit zu geben, über die Person Dirk Loose abzustimmen“, so die ehemalige AStA-Vorsitzende der GHG. Die Wahl konnte sie schließlich nicht für sich entscheiden. Mit zwei Enthaltungen, 13 Stimmen für und 18 Stimmen gegen Schlegel bleibt Loose weiterhin StuPa-Sprecher.

Listen distanzieren sich

Auf ihrer Internetseite distanziert sich die NAWI vom Vorwurf der AfD-Nähe; während sich die Juso-HSG im Nachhinein noch klarer positioniert: „Als Juso-Hochschulgruppe Bochum und Sozialdemokrat*innen, lehnen wir die Partei Alternative für Deutschland (AfD) mit ihren Zielen, Welt- und Wertvorstellungen ab. (…) Die AfD ist eine Partei, die bewusst rechtspopulistische Themen besetzt und damit zugleich Ressentiments in der Bevölkerung schürt.“
 

3 comments

  1. Kritik an AfD vs. offensichtliche Hetzekampagnen
    Was da passiert, ist, dass Oppositionslisten (allen voran die Bierliste) nach einem Makel wie AfD-Mitgliedschaft suchen, dem Mitglied der noch jungen Partei dann alles an der Kopf werfen, was andere Mitglieder dieser jungen Partei (die sich ja selbst noch definiert, während sie wächst´und Gruppen aufnimmt) irgendwann mal gesagt haben. Wenn sie ihn gefunden haben, wertet sie die Person als untragbar ab.

    Das ist kein Rassismus, das ist aber ein rassistischer Mechanismus: Du hast Eigenschaft XY, deswegen bist du entrechtet – und jede Schmierkampagne und jede Ungerechtigkeit von mir dir gegenüber ist gerechtfertigt, denn du gehörst einer Gruppe der Entwerteten an. Das, Entmenschlichung, ist der Wirkmechanismus von Rassismus.

    Ganz abgesehen davon, dass Marquardt und Loose ausdücklich keine Rassisten sind, sondern mit der Partei sympathisierten, weil sie in ihr etwas anderes sahen als Rechtspopulismus – vielleicht eine zweite Junge Union oder so. Die AfD ist ein Jahr alt, viel zu jung, um zu sagen, dass jedes Mitglied überblicken kann, wie die Partei sich ausrichtet.

    Das ignorieren diese Oppositionslsten, allen voran de Bierliste, ganz bewusst, denn es ist so hübsch praktisch, wenn man jemanden erstmal in einer Gruppe von Entrechteten hat.

    Die AfD mag eine Partei sein oder werden, die Rechtspopulisten beherbergt. Aber ob man das zur btw13, in ihrem ersten kleinen Wahlkampf, schon so überblicken konnte, dass man den Vorwurf ertragen müsste, bewusst Rechtspopulisten zu helfen, ist arg arg arg zubezweifeln.

    Das ganze war eine Schmierkampagne sondergleichen und ich schäme mich für linke Listen wie di GHG, dass im Namen linker Politik so menschenverachtende Kampagnen getrieben werden.

    Zumal niemand MIT Dirk Loose gesprochen hat, um ihn darüber aufzuklären, wie die AfD gesehen wird und wie ernstzunehmen rechtspopulistische Tendenzen sind. Wenn es wirklich um die Ausrchtung und das Ansehen des Parlaments gegangen wär, hätte man dann nicht mit Dirk Loose gesprochen, nicht gleich gegen ihn? Immerhn spricht ER sich seit Jahren offen gegen Rassismus aus.

    Es wurde von Anfang an nicht MIT ihm gesprochen, sondern über und gegen ihn. Die Bierliste hatte ja auch sofort eine neue Kandidatin parat.

    So ein Zufall.

  2. Hochschulpolitik

    Lustig
    Lol, lustig wie oft „Carsten Mielke“ (angebliche Satireliste Bier) und „Rufmord“, „Diffamierung“ und „Intriganz“ immer wieder in einem Satz genannt werden.

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